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Erst Kulleraugen, dann Stress Warum zu Weihnachten keine Haustiere verschenkt werden sollten

Viele Menschen, auch in Sachsen-Anhalt, wollen ihren Kindern oder Verwandten beispielsweise mit einem Welpen als Weihnachtsgeschenk eine Freude machen. Wieso das oft der falsche Weg ist.

Von Sebastian Möbius 19.12.2023 12:30
Helen Lücke mit ihrem Windhund Alfred. Sie hat den Vierbeiner über eine Organisation vermittelt bekommen. Sie fände es besser, wenn Tiere nicht zu Weihnachten verschenkt werden.
Helen Lücke mit ihrem Windhund Alfred. Sie hat den Vierbeiner über eine Organisation vermittelt bekommen. Sie fände es besser, wenn Tiere nicht zu Weihnachten verschenkt werden. (Foto: Sebastian Möbius)

Halle (Saale)/MZ. - Es sind virale Hits im Internet. In den oft 30 Sekunden langen Videos filmen Eltern dabei, wenn ihre Kinder die Geschenke auspacken. Und in einem Karton sitzt plötzlich ein Welpe, der das Kind mit großen Kulleraugen anschaut. Was für den Moment aus Sicht des Betrachters niedlich scheinen mag, sollte in der Praxis aber strengstens vermieden werden. Das sagen sowohl Tierschutzvereine, Tierheime als auch eine Halterin selbst. Tiere würden nicht als Geschenk unter den Weihnachtsbaum gehören. Die Gründe dafür sind vielfältig. 

Auf Missstände aufmerksam gemacht

Helen Lücke ist Hundebesitzerin und lebt in Bernburg. Ihren Windhund Alfred hat sie über die ehrenamtliche Organisation "Parenas Pfotenhilfe" vermittelt bekommen. Die Organisation vermittelt vor allem Tiere, die obdachlos aufgegriffen wurden, oder Hunde von Jägern, die aufgrund ihres Alters nicht mehr einsatzfähig sind. "Mir war es wichtig, etwas Gutes zu tun. Alfred wurde von einem Jäger abgegeben. Ich habe mich gemeldet und nach einer Wohnungsbesichtigung das Okay von der Organisation bekommen", erzählt die 34-Jährige.

Seitdem setzt sich Helen Lücke verstärkt für den Schutz der Windhunde ein, da diese meistens ein trauriges Schicksal erleben. "Wenn ein Jäger, vor allem in Spanien, keinen Nutzen mehr in seinem Hund sieht, werden sie an den Beinen zum 'Klavierspielen' an Bäumen aufgehängt. Dort zappeln sie zu Tode", so die gelernte Zahntechnikerin. Erst Anfang November stellte sie zusammen mit Tina Hartmann vom Windhundenetzwerk bei einem Filmabend den Film "Yo Galgo" (zu Deutsch: Ich, Windhund) vor, um verstärkt auf die Missstände aufmerksam zu machen.

Tiere verantwortungsvoll behandeln

Deshalb komme es für Helen Lücke auch nicht infrage, ein Haustier an Weihnachten zu verschenken: "Viele Menschen denken, dass sie mit einem Haustier als Weihnachtsüberraschung ihren Kindern etwas Gutes tun. Das ist aber ein Trugschluss. So eine Entscheidung muss mit Bedacht und nach reiflicher Überlegung getroffen werden. Sonst leidet das Tier nur darunter."

Faktoren wie genug Zeit für die Pflege des Tiers und auch die finanziellen Aspekte würden eine große Rolle spielen. "Ansonsten landet das Tier in den ohnehin schon überfüllten Tierheimen oder vegetiert vor sich hin. Das wäre verantwortungslos", erklärt die Windhundebesitzerin.

Kinder verlieren Interesse

Ähnlich sieht es Christine Strempel, 1. Vorsitzende des Tierschutzvereins Salzlandkreis aus Eickendorf: "Gerade vor Weihnachten bekommen auch wir vermehrt Anfragen zur Tiervermittlung. Meist stellt sich dann heraus, dass die Leute bei dem Vorhaben, sich ein Tier nach Hause zu holen, wenig überlegen."

Meist würden Tiere für ältere Menschen geholt, um gegen die Einsamkeit zu helfen. Oder Kinder würden beschenkt, um ihnen eine große Freude zu machen. "Bei Kindern ist es oft so, dass sie nach Weihnachten das Interesse am Haustier wie Hamster oder Kaninchen verlieren. Und wenn dann erstmal wieder der normale Schulalltag losgeht, vegetiert es dann vor sich hin. Deshalb gehören solche Tiere auch nicht in Kinderhand. Sie bedürfen großer Pflege und Aufmerksamkeit. Das unterschätzen viele Menschen", erklärt Strempel.

Und sollte es mit den Haustieren eben nicht passen, würden sie im Tierheim abgegeben. Für Christine Strempel ein Unding: "Wenn Tiere innerhalb kürzester Zeit zu oft den Besitzer wechseln, tragen sie emotionale Schäden davon. Sie sind dann einfach nicht mehr weiterzuvermitteln."

Geld für Böller, aber nicht für Tierfutter

Grit Bürger, Leiterin des Tierheims in Bitterfeld, ist seit mehr als 20 Jahren im Geschäft. Und in dieser Zeit hat sie schon einiges erlebt. "Wir bekommen nicht nur zu Weihnachten Tiere hereingereicht, bei denen es mit den Besitzern aus unterschiedlichsten Gründen nicht geklappt hat. Aber ich muss mir doch vorher Gedanken machen, ob ich Zeit, Geld und die Räumlichkeiten habe, um zum Beispiel einen Hund zu halten."

Grit Bürger ergänzt: "Wie Menschen so etwas überhaupt über das Herz bringen können, sich nicht gut genug um ein Lebewesen zu kümmern, es zu verachten. Da frage ich mich, ob diese Menschen überhaupt ein Gewissen haben."

Sie prognostiziere ein riesengroßes Problem von überlasteten Tierheimen, sollte sich die Denkweise bei der Anschaffung von Haustieren nicht ändern. "Anscheinend ist jedes Jahr genug Geld da, um massenweise Geld für Böller zu verpulvern. Aber für das Tierfutter reicht es dann nicht", meint die Tierheimleiterin.

Und Grit Bürger schließt ihre Brandrede mit einem Vergleich ab: "Die Halter sollten sich mal vorstellen, sie würden ihr Kind genauso behandeln wie das Haustier. Ob sie das genau so wollen, diese Frage sollten sich die Menschen mal stellen."