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Koalitionsvertrag unterschrieben Warum Ministerpräsident Reiner Haseloff in Sachsen-Anhalt um seine Wahl bangen muss

Von Hendrik Kranert-Rydzy und Kai Gauselmann 24.04.2016, 19:46
Historisches Dokument: Der erste schwarz-rot-grüne Koalitionsvertrag Deutschlands mit den Unterschriften der Parteichefs von CDU, SPD und Grünen ist perfekt.  CDU-Landeschef Thomas Webel, Grünen-Chefin Cornelia Lüddemann und SPD-Landesvorsitzender Burkhard Lischka (von links) unterzeichnen das Dokument.
Historisches Dokument: Der erste schwarz-rot-grüne Koalitionsvertrag Deutschlands mit den Unterschriften der Parteichefs von CDU, SPD und Grünen ist perfekt.  CDU-Landeschef Thomas Webel, Grünen-Chefin Cornelia Lüddemann und SPD-Landesvorsitzender Burkhard Lischka (von links) unterzeichnen das Dokument. dpa-Zentralbild

Magdeburg - Der Weg nach Kenia ist frei - doch ob er auch beschritten werden kann, bleibt spannend: Zwar unterzeichneten am Sonntagabend die Parteispitzen von CDU, SPD und Grünen den Koalitionsvertrag für ein Regierungsbündnis. Doch ob dieses auch regieren kann, entscheidet sich erst am Montag im Landtag mit der Wiederwahl von Reiner Haseloff (CDU) zum Ministerpräsidenten. Es ist fraglich, ob er ausreichend Stimmen aus den Koalitionsfraktionen erhält.

Die Koalition von CDU, SPD und Grünen verfügt zusammen über 46 Stimmen im Parlament, die Opposition aus AfD und Linken kommt auf 41. Für eine Wahl Haseloffs ist die einfache Mehrheit aller im Landtag sitzenden Abgeordneten nötig – bei insgesamt 87 Sitzen sind das 44 Stimmen. Die Regierungskoalition verfügt damit über eine rechnerische Mehrheit von nur zwei Stimmen. Haseloff selbst hatte am Freitag auf einem Sonderparteitag der CDU deutlich gemacht, dass „Montag der Tag der Entscheidung“ sei.

Vor allem in den eigenen Reihen muss der 62-jährige Wittenberger mit möglichen Heckenschützen rechnen: Über den Koalitionsvertrag gab es im Vorfeld des CDU-Parteitages heftige Auseinandersetzungen. Vor allem im Landessüden, wo die Union viele Direktmandate an die AfD verloren hatte, stoßen der Vertrag und das geplante Bündnis auf Widerstände.

Zwar gelang es Haseloff und Parteichef  Thomas Webel, viele Kritiker zu besänftigen. Mit über 83 Prozent fiel die Zustimmung zum Koalitionsvertrag am Ende deutlich höher aus, als es die CDU selbst erwartet hatte. „Wir wären schon mit 75 Prozent zufrieden gewesen“, sagte Webel nach dem Parteitag. Deutlich bessere Ergebnisse konnten hingegen SPD und Grüne melden: Ihre Sonderparteitage  votierten mit 94 und 98 Prozent für den Koalitionsvertrag.

„Unsere elf Stimmen wird der Ministerpräsident bekommen“, sagte SPD-Landtagsfraktionschef Andreas Steppuhn der MZ. „Wir wollen eine stabile Regierung und das werden wir am Montag mit einer Probeabstimmung der Fraktion dokumentieren.“  Gleiches ist nach Auskunft des Parlamentarischen Geschäftsführers Sebastian Striegel auch  bei den Grünen geplant.  

In der CDU ist dieses nach Angaben von Fraktionschef Siegfried Borgwardt hingegen nicht vorgesehen: „Bei Personalwahlen machen wir keine Probeabstimmungen.“ Haseloff geht also in ein Rennen, dessen Ausgang zumindest im ersten Durchgang offen ist. Parteichef Webel plant daher schon einmal vor: Im Falle eines Scheiterns Haseloffs im ersten Wahlgang soll noch am selben Tag der zweite Wahlgang folgen, sagte Webel der MZ. 

Dies halten auch die Grünen für sinnvoll, „dass muss man machen, bevor das große Diskutieren einsetzt“, so Striegel. Zeit für einen zweiten Wahlgang hätte man laut Verfassung sieben Tage.
In der SPD gibt es allerdings die Befürchtungen, AfD-Fraktionschef André Poggenburg könnte dann erklären, seine Fraktion stimme nun mit – um Sachsen-Anhalt Neuwahlen und Chaos der „Altparteien“ zu ersparen.  Dann könnte die AfD behaupten,  Haseloff verdanke ihr sein Amt.

Scheitert Haseloff an diesem Montag auch im zweiten Anlauf, könnte das Parlament mit einfacher Mehrheit seine Auflösung beschließen und den Weg für Neuwahlen freimachen. Das gilt aber als wenig wahrscheinlich.   In einem dritten Wahlgang hingegen bräuchte Haseloff nur noch die einfache Mehrheit der im Landtag anwesenden Parlamentarier, nicht aller gewählten Abgeordneten. Heißt: Würden etwa Teile der Linken den Saal verlassen, steigen automatisch Haseloffs Chancen auf Zustimmung.  (mz)