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Tourismus in Sachsen-Anhalt Tourismus in Sachsen-Anhalt: Am Bauhaus wird es eng

Von Daniel Salpius 23.08.2019, 10:00
Bekannt, beliebt, besucht: Das Bauhaus beschert Sachsen-Anhalt mehr Touristen.
Bekannt, beliebt, besucht: Das Bauhaus beschert Sachsen-Anhalt mehr Touristen. Thomas Ruttke

Dessau - Es ist kein Durchkommen. Gerade verlässt eine Touristengruppe das Besucherzentrum im Bauhaus-Gebäude in Dessau. Draußen startet gleich die Führung zu den Meisterhäusern. Praktisch heißt das: 40 bis 50 Leute quetschen sich gleichzeitig durch eine recht schmale Tür und anschließend eine kurze Steintreppe hinab. Wer in die Gegenrichtung will, dem bleibt nur die Flucht an den Rand, um dort erst einmal eine ganze Weile auszuharren.

Auf diesem Beobachterposten lässt sich ein gutes Gefühl dafür entwickeln, wie die Besucherströme zusammengesetzt sind, die in diesem Jahr nach Dessau pilgern: Junge Hipster und Studenten, Familien, Bildungsreisende und gerade unter der Woche viele Rentnergruppen, dem Dialekt nach vornehmlich aus den alten Bundesländern. Doch auch fremde Sprachen lassen sich immer wieder vernehmen.

Sachsen-Anhalt besser als im Bundesdurchschnitt

Dessau boomt, das Bauhaus-Jubiläum macht es möglich. Das ist auch bei vielen Gästen des Radisson Blu 2019 das Thema Nummer 1. Das 204-Zimmer-Haus, das größte in Dessau-Roßlau, ist deshalb laut Hotelchefin Claudia Schwalenberg bei internationalen Gästen sehr gefragt. Sogar Busreisegruppen aus Frankreich seien in diesem Jahr da, „was sonst eher selten ist“. Und so verbucht die Region Anhalt-Wittenberg ein Plus von 6,1 Prozent bei den Übernachtungen im ersten Halbjahr 2019.

Auch am Zuwachs der Gästezahlen im ganzen Land dürfte Dessau einen nicht unerheblichen Anteil haben: 3,9 Millionen Besucher übernachten in den ersten sechs Monaten dieses Jahres zwischen Altmark und Burgenland, Harz und Fläming. Das sind 4,4 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, erstmals seit Jahren mehr als im Bundesdurchschnitt.

Es sind Zahlen, die Achim Willingmann am Donnerstag gute Laune bereiten. „Die Tourismuswirtschaft in Sachsen-Anhalt bleibt auf Erfolgskurs“, frohlockt der Wirtschaftsminister von der SPD. Sachsen-Anhalt sei als Reiseziel beliebt wie nie, sagt Willingmann, und hat auch noch gleich ein paar Zahlen parat: von 2013 bis 2018 ein Plus von 19 Prozent bei den Besuchern, 17,6 Prozent Plus bei Übernachtungen.

An den Meisterhäusern arbeiten die Gästeführer im Akkord

Wer sich am Bauhaus umhört, bekommt einen Eindruck der Resonanz. Dort steht Heiko Gerdes gerade vor einer Gruppe von 40 Architekturstudenten aus den USA und erläutert die Bauhausarchitektur. Kaum einer der jungen Leute, der nicht mit Kamera und Zeichenblock ausgerüstet wäre. Einer von ihnen ist Josh Eby aus Virginia. Den 21-Jährigen fasziniert, wie die Architektur mit dem Tageslicht spielt. Viel Zeit, die Orte der historischen Designschule zu erkunden, bleibt ihm und seinen Kommilitonen nicht. „Wir sind am Morgen aus Berlin gekommen. Nachmittags geht es weiter nach Prag.“ Die Studenten und ihre zwei Professoren befinden sich auf einem Trip durch ganz Westeuropa.

An den Meisterhäusern arbeiten die Gästeführer im Akkord. Bei Muche/Schlemmer hat sich eine geführte Gruppe auf der kleinen Terrasse hinter dem Haus versammelt. Die nachfolgende Gruppe befindet sich schon in Sichtweite auf Höhe des Feininger-Hauses, dahinter bewundert die übernächste das Domizil von Gropius. Der Andrang bei den Führungen kann kaum mehr bewältigt werden. „Die Besucherzahlen sind schon jetzt gegenüber dem Vorjahr um 150 Prozent angestiegen“, sagt Ulrike Lippe, Sprecherin der Stiftung Bauhaus Dessau.

„Die Form der Häuser ist so gänzlich anders als in Italien“

Zwischen den Menschentrauben, die sich stoßweise durch und an den Gebäuden vorbei schieben, erkunden zwei ältere Damen das Gelände auf eigene Faust. Maria Buccarelli und Ginevra Guansi sind aus Rom angereist. „Wir sind interessiert an moderner Architektur und das Bauhaus ist eine große Sache bei uns, die Form der Häuser ist so gänzlich anders als in Italien“, erklärt Buccarelli. Acht Tage verbringen die beiden Frauen in Deutschland. Ihr Quartier haben sie in Leipzig bezogen, von dort fahren sie nach Weimar, Dessau und Berlin.

Touristiker wie Elke Witt vom regionalen Tourismusverband erwarten noch mehr ausländische Gäste. „Das Bauhaus-Museum hat ja noch nicht mal eröffnet“, sagt sie und prognostiziert: „Das Interesse wird 2020 anhalten.“

Wird es das? Wittenberg verzeichnete im Lutherjahr 2017 einen Ansturm internationaler Besucher, danach gingen die Zahlen in den Keller. Nach einem so herausragenden Ereignis wie dem Reformationsjubiläum sei das völlig normal, beschwichtigt Minister Willingmann. Er räumt aber ein: Die Vermarktung Sachsen-Anhalts im Ausland bleibt „eine große Herausforderung“. (mz)