Soziologe zum Wahlergebnis Soziologe zum Wahlergebnis: Sind AfD-Wähler tendenziell ausländerfeindlich?

Halle (Saale) - Wie ist der Wahlerfolg der AfD in Sachsen-Anhalt zu erklären? Sind AfD-Wähler tendenziell ausländerfeindlich? Wo liegen die Gründe für den Vertrauensverlust in die etablierten Parteien?
Walter Zöller sprach darüber mit Professor Reinhold Sackmann von der Martin-Luther-Universität in Halle. Der Soziologe hat unter anderem zur Willkommenskultur in Sachsen-Anhalt geforscht.
Ist das Bemühen um eine offene Gesellschaft gescheitert?
Sackmann: Willkommenskultur hat immer zwei Komponenten. Das eine ist, was die Professionellen machen, die in ihrer Berufsarbeit mit Migranten zu tun haben. Da hat das Land inzwischen eine Struktur aufgebaut, die funktioniert. Die andere Seite ist, was die Bevölkerung macht, wie sie denkt, wie sie handelt. Da muss man feststellen, dass die AfD ein Viertel der Bevölkerung mobilisieren konnte. Das ist nicht wenig. Wir müssen aufpassen, dass nun nicht ein Klima von Abschottung und Scheinidentität aufgebaut wird. Dann würde es mittelfristig schwierig werden für das Land.
Was meinen Sie damit?
Sackmann: Wenn man sagt, die Politik tut nur noch etwas für die Einheimischen, das eigene Dorf, das eigene Land. Das funktioniert heutzutage aufgrund der weltweiten Vernetzung nicht mehr.
Ein Viertel der Wähler hat AfD gewählt. Wie erklären Sie sich das?
Sackmann: Ich sehe zwei Hauptgründe für den Wahlerfolg der AfD. Der eine ist das Thema Flüchtlingskrise. Da gibt es in Sachsen-Anhalt wie in allen anderen ostdeutschen Bundesländern einen doppelt so hohen Anteil an Fremdenfeindlichkeit wie im Westen. Die ist besonders stark in den Orten, in denen es eigentlich keine Zuwanderung gibt. Wo also der persönliche Kontakt zu Menschen aus anderen Ländern fehlt. In der Flüchtlingskrise ist das von der AfD erfolgreich genutzt worden. Weiterhin ist es der AfD gelungen, viele bisherige Nichtwähler zu mobilisieren. Darin sehe ich etwas grundsätzlich Positives.
Sie sagen, eine starke Minderheit in Sachsen-Anhalt hat eine fremdenfeindliche Einstellung. Womit belegen Sie das?
Sackmann: Es gibt empirische Forschungen zu diesem Thema. So wurde im Sachsen-Anhalt-Monitoring die Frage gestellt: „Stimmen Sie zu, dass die Bundesrepublik durch viele Ausländer in einem gefährlichen Maße überfremdet ist?“ 27 Prozent der Befragten haben mit Ja geantwortet.
Das ist ein klares Indiz für eine fremdenfeindliche Einstellung. Das heißt aber nicht, das jeder, der so denkt, Busse mit Flüchtlingen blockiert oder eine klammheimliche Freude empfindet, wenn ein Flüchtlingsheim brennt. Und die meisten AfD-Wähler verhalten sich im Alltag sicherlich anständig. Aber wir müssen aufpassen, dass sich keine Kultur des Chauvinismus entwickelt.
Fremdenfeindliche Einstellungen können sich aber auch ändern. Dabei geht es wieder darum, mit Fremden in Kontakt zu kommen und so Vorbehalte abzubauen.
Viele haben das Vertrauen in Politik verloren. Woher kommt das?
Sackmann: Das Vertrauen ist bei vielen noch gar nicht richtig aufgebaut worden. In sogenannten post-kommunistischen Gesellschaften herrscht generell ein höheres Misstrauen. Dieses Grundmisstrauen aus früherer Zeit gegen Mitmenschen, aber auch Institutionen ist immer noch vorhanden, es reduziert sich nur langsam.
Für den Wahlerfolg der AfD sind also auch die Verhältnisse in der DDR verantwortlich? Ist das nicht etwas zu einfach?
Sackmann: Natürlich kann man nicht immer die DDR für alle heutigen Probleme als Erklärung heranziehen. Aber wenn man die gesellschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland mit anderen postkommunistischen Staaten wie Polen, Slowakei, Tschechien oder Ungarn vergleicht, erkennt man durchaus Parallelen. Man muss allerdings auch sagen, dass die Entwicklung in Ostdeutschland deutlich positiver verlaufen ist als etwa in Polen.
Viele Menschen hat das Abschneiden der AfD entsetzt. Sie auch?
Sackmann: Die Wahlbeteiligung ist deutlich gestiegen. Das ist positiv. Und Protest ist eine Grundform der Demokratie. Man wird jetzt sehen, ob die AfD nur ein Parasit ist oder im Parlament sinnvoll etwas für ihre Wähler erreicht. Für die anderen Parteien bleibt die Aufgabe, eine vernünftige Politik zu machen. Und diese Aufgabe hat sich nicht verändert: Weiterer Schuldenabbau, investive Bildungspolitik und effiziente Wirtschaftsförderung - das sind die Themen, wo Sachsen-Anhalt noch besser werden muss. Die Flüchtlingskrise ist da nur ein Nebenthema, das für die Zukunft des Landes nicht entscheidend ist.
