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Waldbrand im Nationalpark Harz Schneisen, Satelliten und Sensoren - so sollen Feuer künftig verhindert werden

Nach dem verheerenden Waldbrand im Harz verabschieden Land, Kreis und Nationalpark eine gemeinsame Erklärung zur Feuerprävention. Welche Maßnahmen geplant sind und warum die Größe des Brandes unklar bleiben wird.

Von Julius Lukas Aktualisiert: 30.09.2022, 14:15
Am 3. September war der Brand unterhalb des Brockens ausgebrochen. Neun Tage dauerten die Löscharbeiten.
Am 3. September war der Brand unterhalb des Brockens ausgebrochen. Neun Tage dauerten die Löscharbeiten. Foto: Matthias Bein/dpa

Wernigerode/MZ - Um Großfeuer wie zuletzt unterhalb des Brockens künftig zu verhindern, haben das Land, der Landkreis Harz sowie die Stadt Wernigerode und der Nationalpark Harz am Freitag mehrere Maßnahmen vorgestellt. In der sogenannten „Wernigeröder Erklärung“ ist festgehalten, welche Präventionsschritte bis zum kommenden Jahr unternommen werden sollen. Forstminister Sven Schulze (CDU) sprach von einem „Meilenstein in der Brandprävention“.

Konkret soll die Feuerwehr in Zusammenarbeit mit dem Nationalpark Übungen vor Ort durchführen dürfen und zudem erkunden, wo Brandschneisen gezogen werden müssen. Dabei werden 10 bis 15 Meter breite Streifen entwaldet, um eine Brandausbreitung zu verhindern und der Feuerwehr den Zugang zu Flammenherden besser zu ermöglichen. Solche Schneisen gibt es bereits im Harz, ihr Netz soll aber erweitert werden. Insbesondere Naturschutzverbände sprechen sich gegen Schneisen aus, da sie die natürliche Vegetation nachhaltig zerstören.

Streifen bis zur mineralischen Schicht im Nationalpark

Neu hinzukommen, sollen Wundstreifen. Auf diesen Flächen wird die Bodendecke bis zur nicht brennbaren, mineralischen Schicht entfernt. Die 2,5 bis drei Meter breiten Streifen werden an Stellen angelegt, an denen unmittelbare Brandgefahr besteht. „Das könnte zum Beispiel entlang der Strecke der HSB notwendig sein“, sagte der Harzer Kreisbrandmeister Kai-Uwe Lohse. Bisher waren Wundstreifen im Harz nicht erlaubt. Das Forstministerium hat dafür jetzt die Voraussetzungen geschaffen. „In den letzten Jahren hat dazu in Summe der politische Wille gefehlt“, so Schulze. Der Minister deutete dabei immer wieder auch an, dass Eingriffe im Nationalpark vor allem durch das bis 2021 von Claudia Dalbert (Grüne) geleitete Umweltministerium verhindert worden seien.

Kritiker des Nationalparks sehen Totholz als einen zentralen Treiber des Feuers unterhalb des Brockens Anfang September.
Kritiker des Nationalparks sehen Totholz als einen zentralen Treiber des Feuers unterhalb des Brockens Anfang September.
Foto: Julius Lukas

Sowohl Wundstreifen als auch Schneisen stehen, das betonte Schulze mehrfach, unter dem Vorbehalt des Naturschutzes. „Es kann immer sein, dass wir uns für Vorhaben da Genehmigungen einholen müssen“, so der Minister. Selbst eine Auflösung des Nationalparks auf sachsen-anhaltischer Seite, die Schulze im Streit um die Brandbekämpfung ins Spiel brachte, würde an der Notwendigkeit, den Naturschutz einzubeziehen, nichts ändern.

Änderungen bei der Harzer Schmalspurbahn nach Brand

Zum Maßnahmenkatalog gehören auch Änderungen bei der Harzer Schmalspurbahn (HSB). Da es besonders häufig entlang der Strecke brennt, gilt diese als ein möglicher Brandverursacher. Die Züge werden künftig mit Sensortechnik ausgestattet, die die Temperatur am Rand der Strecke misst. So können Feuer schnell festgestellt werden. Zudem werde laut Landrat Thomas Balcerowski (CDU) geprüft, ob Wasserleitungen entlang des Gleisbetts im Abschnitt Drei Annen Hohne bis Brockenbahnhof gelegt werden können. Auch soll die HSB so ausgestattet werden, dass sie Feuerwehrequipment transportieren kann. Zudem wird entlang der Strecke der Schmalspurbahn in Absprache mit dem Nationalpark das Totholz beräumt. „Die HSB ist nicht das Problem, sondern ein Teil der Lösung des Problems“, sagte Landrat Balcerowski.

Um Feuer schneller zu erkennen, sollen im kommenden Jahr Streckenläufer die besonders von feuern betroffenen Gebiete - insbesondere die HSB-Trasse - ablaufen. Zudem hat der Landkreis Harz ein Satellitensystem im Probebetrieb, mit dem Temperaturveränderungen auf einer Fläche von 100 Quadratmetern unverzüglich erkannt werden können. Der Einsatz dieses Systems kostet laut Balcerowski einen fünfstelligen Betrag pro Jahr.

Keine Firmen für Totholz-Beräumung im Harz

Im Bereich Schierke - also dort, wo es Wohnbebauung gibt - wird die Beseitigung von Totholz vom Nationalpark vorangetrieben. In den letzten Jahren hatte es immer wieder Diskussionen um die Reste abgestorbener Bäume gegeben, da der Nationalpark sich zum einen nicht im Stande sah, die großen Holzmenge aus dem Wald zu holen. Zum anderen ist es auch aus ökologischer Sicht durchaus sinnvoll, das Totholz im Wald zu lassen. Für Kritiker bieten die trockenen Baumüberbleibsel allerdings die ideale Grundlage für Feuer wie den Brand unterhalb des Brockens.

Entlang der Strecke der Harzer Schmalspurbahn brennt es besonders oft. De HSB soll deswegen mit Wärmesensoren ausgestattet werden.
Entlang der Strecke der Harzer Schmalspurbahn brennt es besonders oft. De HSB soll deswegen mit Wärmesensoren ausgestattet werden.
Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Die Beräumung im Raum Schierke wird laut Nationalparkleiter Roland Pietsch bald beginnen. „Bisher hatten wir dort keinen Unternehmer gefunden, der das macht.“ Allerdings sei man mittlerweile mit einem Forstbetrieb im Gespräch. Details müssten aber noch geklärt werden. Dabei gehe es unter anderem um den Preis für die Beräumung. Pietsch sprach zudem von „sehr konstruktiven und offenen Gesprächen“ im Zusammenhang mit der „Wernigeröder Erklärung“. Das war in den vergangenen Wochen nicht immer so. Pietsch selbst veröffentlichte Mitte September eine in rauem Ton verfasste Pressemitteilung, in der er die Feuerwehr sowie den Landkreis öffentlich angriff. „Wir hatten nie richtigen Streit“, sagte der Nationalparkleiter nun beschwichtigend.

Uneinigkeit bei Größe des Brandes

Keine Einigkeit besteht allerdings weiterhin in der Frage, wie groß der Brand unterhalb des Brockens war. Die Feuerwehr ging bei Brandende von 160 Hektar Fläche aus. Wenig später veröffentlichte der Nationalpark allerdings eine Mitteilung, in der er auf Basis von Drohnen-Daten von nur noch 12 Hektar sprach. Drei Tage später zog der Landkreis nach und gab die Brandfläche mit 329 Hektar an. Grundlage waren dabei Satellitenaufnahmen. Die große Diskrepanz zwischen den Angaben konnte auch am Freitag nicht verkleinert werden. „Dieser Zahlenstreit ist ein rein statistischer Streit, der am Einsatz nichts ändert“, sagte Landrat Balcerowski. „Die Schlussfolgerungen, die wir aus dem Brand jetzt gezogen haben, wären bei 12 Hektar ebenso gewesen wie 329 Hektar.“

Am teuersten ist es, nichts zu tun.

Thomas Balcerowski (CDU), Landrat Harzkreis

Die festgelegten Maßnahmen sollen so schnell wie möglich umgesetzt werden. „Zum Sommer des nächsten Jahres wollen wir Tatsachen geschaffen haben“, verkündete Sven Schulze. Dabei spielten auch Kosten eine Rolle, wobei es dazu noch keine konkreten Zahlen gebe. „Am teuersten ist es, nichts zu tun“, sagte Thomas Balcerowski. Beim Einsatz rund um den Brand am Brocken seien, so der Landrat, Kosten in Höhe von ungefähr drei Millionen Euro entstanden. Eine Ursache des Feuers sei bisher nicht ermittelt. Laut Balcerowski finden dazu aber derzeit Befragungen statt.