DDR-Geheimdienst Rolle der Stasi im heutigen Sachsen-Anhalt: Fluchtversuche und Zwangsumsiedlung aus dem Harz

Berlin - Eine neue Länderstudie der Stasi-Unterlagenbehörde befasst sich mit der Rolle des DDR-Geheimdiensts im heutigen Sachsen-Anhalt. Der Band bildet den Auftakt der Reihe „Stasi in der Region“ und macht anhand von konkreten Geschichten und Schicksalen deutlich, welche Folgen die politische Repressionen für die Menschen in den damaligen Bezirken Halle und Magdeburg hatten, wie die Behörde am Freitag in Berlin mitteilte.
3.000 DDR-Bürger zwangsweise ins Hinterland umgesiedelt
Weitere Studien etwa zur Stasi in Dresden sollen folgen. In der neuen Länderstudie geht es unter anderem um Fluchtversuche und die Zwangsumsiedlung aus dem Harz. Mit der Stasi-Aktion „Festigung“ ließ das SED-Regime am 3. Oktober 1961, wenige Wochen nach dem Mauerbau, missliebige Bürger schlagartig aus den Grenzgebieten umsiedeln. Insgesamt wurden entlang der DDR-Westgrenze und der Berliner Umlandgrenze mehr als 3.000 DDR-Bürger zwangsweise ins Hinterland umgesiedelt.
Die Studie, an der 15 Autoren mitwirkten, schildert auch den Fall von Roland Schreyer, der 1988 nach einem Besuch im Westen nicht in den Bezirk Magdeburg zurückkehrte. Seine Familie, die er zurücklassen musste, holte er später in einer lebensgefährlichen Fluchtoperation nach. Als der Ausreiseantrag von Frau und Tochter sich hinzog, holte er sie durch im Sperrgebiet verlaufende Betonröhren auf eigene Faust in den Westen - und kehrte dabei für kurze Zeit auf DDR-Gebiet zurück. Geschildert wird auch, wie die Stasi die massiven Umweltbelastungen in der Chemieregion Halle unter Verschluss hielt.
Eingaben von Bürgern zu Umweltproblemen
Die Partei- und Staatsführung hatte Daten zum Zustand der Umwelt Ende 1982 weitgehend zu Staatsgeheimnissen erklärt. Sie hoffte, dadurch kritische Berichte westlicher Medien verhindern und das Engagement kirchlicher Umweltgruppen im Keim ersticken zu können. Tatsächlich häuften sich seit den frühen 80er Jahren Eingaben von Bürgern zu Umweltproblemen. Schon früher klagten die Anwohner großer Betriebe wegen dreckiger Wäsche, eingegangener Pflanzen oder der allgegenwärtigen Flugasche in Haus und Hof.
Dann gab es zum Beispiel Entschädigungszahlungen. Doch die Menschen stellten zunehmend grundsätzlichere Fragen zur Umweltpolitik des Staats und forderten Informationen zu Grenzwerten und Daten über Schadstoffbelastungen. Die Stasi überwachte vor Ort in den Betrieben, dass die Funktionäre und zuständigen Mitarbeiter Stillschweigen über die Umweltbelastungen wahrten. Trotz der intensiven Überwachung bis hin zu einschneidenden Repressionen gelang es der SED und der Staatssicherheit aber nicht, das Engagement der DDR-Umweltbewegung zu unterbinden. (afp)