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Rechte Chatgruppen bei Polizei Rechte Chatgruppen bei Polizei: Bestürzung in Sachsen-Anhalts Landespolitik

Von Jan Schumann 19.11.2020, 09:14
Illustration: Eine Polizistin hält ein Mobiltelefon. In einem anonymen Schreiben wird von rechtsextremen Äußerungen in Whatsapp-Chats von Polizisten berichtet.
Illustration: Eine Polizistin hält ein Mobiltelefon. In einem anonymen Schreiben wird von rechtsextremen Äußerungen in Whatsapp-Chats von Polizisten berichtet. dpa/Symbol

Magdeburg - Neue Rassismusvorwürfe gegen Bereitschaftspolizisten in Sachsen-Anhalt schlagen hohe Wellen in der Landespolitik. „Ich bin froh, dass die Mauer des Schweigens innerhalb der Polizei zu fallen scheint“, sagte der Grünen-Innenpolitiker Sebastian Striegel. „Aber es spricht Bände, dass die Zuständigen erst durch einen anonymen Brief von der rechtsradikalen Chatgruppe erfahren haben.“

Hintergrund: In einem anonymen Schreiben hatte eine mutmaßliche Polizisten über rechtsextreme Äußerungen in privaten Whatsapp-Chats berichtet, zudem seien fremdenfeindliche Schmähungen unter einigen Kollegen an der Tagesordnung. Dem Brief waren Bilder beigefügt, die halbnackte Frauen mit SS-Uniform und Hakenkreuzbinde zeigen – die Bilder sollen in der privaten Polizisten-Chats verschickt worden sein, ohne das Beamte oder Vorgesetzte einschritten. Das Whistleblower-Schreiben wurde an das Innenministerium geschickt, es liegt der Mitteldeutsche Zeitung vor.

„In diesem Klima gehen unsere guten Kolleginnen und Kollegen unter, die sich täglich anstrengen und ihren Dienst fleißig und verantwortungsbewusst verrichten“, heißt es im Brief über die Zustände bei der Bereitschaftspolizei. „Spätestens wenn die Männer in den EHUs (Einsatzhundertschaften; d.R.) bei Auswärtseinsätzen wieder besoffen sind, ist es auch für die letzten Kolleginnen und Kollegen spürbar und kein Kollege kann noch behaupten es nicht gewusst zu haben.“

Das anonyme Schreiben gilt Innenpolitikern als authentisch. „Die Vorwürfe sind schwerwiegend, und man muss leider annehmen, dass sie nicht völlig aus der Luft gegriffen sind“, sagt SPD-Politiker Rüdiger Erben. „Innenminister Stahlknecht hat die Aufgabe, für die Aufklärung der Sachverhalte zu sorgen.“ Genauso wichtig sei jedoch das Schaffen „einer Führungskultur in den Einheiten der Bereitschaftspolizei, die garantiert, dass Vorgesetzte nicht weggucken und Beamte, die Missstände ansprechen, nicht als Nestbeschmutzer gelten“.

Schwerwiegende Vorwürfe: Antisemitische Tendenzen bei der Polizei

Auch Linken-Innenpolitikerin Henriette Quade nannte die neuen Vorwürfe schwerwiegend. „Sie stehen nicht für sich allein, sondern sind im Kontext zahlreicher bereits bekannter und bestätigter Fälle von Rassismus und Antisemitismus im Umfeld der Polizei zu sehen und zu bewerten.“ Es gebe ein strukturelles Problem im Umgang mit diskriminierenden Verhalten unter Beamten. „Das Problem auch von Seiten der Landesregierung endlich einzugestehen und beim Namen zu nennen ist überfällig und Voraussetzung für glaubwürdige und ernsthafte Aufklärung und vor allem Änderung von Polizeikultur.“

Erste Vorwürfe gegen die Bereitschaftspolizei in Magdeburg hatte das Innenministerium im Oktober selbst öffentlich gemacht. Es gebe den Verdacht, dass unter zahlreichen Beamten seit den 1990er Jahren ein antisemitisches Klischee gepflegt wurde und ein Kantinenpächter „der Jude“ genannt wurde. Hintergrund sollen hohe Verkaufspreise sein, das Innenministerium vermutet dahinter das antisemitische Klischee des Kaufmanns mit Wucherpreisen.

Eine eigens eingesetzte Kommission soll bis Juni 2021 untersuchen, ob und inwiefern es antisemitische und rassistische Tendenzen in Sachsen-Anhalts Polizei gibt. Die Grünen forderten angesichts der neuen Vorwürfe rechtsradikaler Chatgruppen einen neuen, unabhängigen Polizeibeauftragten. (mz)