Experte aus Wernigerode Offener Sarg, Livestream und Blütenmeer: Neue Bestattungstrends erinnern an Beerdigungen wie im Film
Auch Beerdingungen sind Trends unterworfen. Ein Bestatter aus Wernigerode erklärt, was sich immer mehr Angehörige für den letzten Abschied wünschen.

Wernigerode - Der Beruf des Bestatters zählt zu den sichersten der Welt. Denn: Gestorben wird immer. Etwa ein Prozent der stetig wachsenden Weltbevölkerung kommt pro Jahr zu Tode. Auch mehrere Bestatter können daher meist gut nebeneinander existieren. Trotz Konkurrenz. "Man registriert sich und hilft sich zur Not auch", erzählt Simon Schuster von Bestattungen Wolf in Wernigerode. Doch so beständig der Job auch sein mag, so stark sind auch Beerdigungen vorübergehenden Trends unterworfen. Und die erinnern derzeit oft an Szenen aus amerikanischen Filmen.
Über Jahrhunderte hinweg wurden die Toten in Sachsen-Anhalt zuhause aufgebahrt. Auf diesem Wege konnten Familie, Freunde und Nachbarn gebührend Abschied nehmen. Dann kam die Flaute: Schnelle Abholung durch den Bestatter, geschlossener Sarg. "Das gibt es auch immer noch", so Schuster. Allerdings hätte sich mittlerweile ein weiterer Trend etabliert: Die Toten sollen wieder gesehen werden.
Rückführungen nach Syrien und Bulgarien
Nur 35 Stunden haben Familienmitglieder Zeit, um die Verstorbenen etwa im häuslichen Umfeld persönlich zu verabschieden. Immer öfter, so Schuster, werde dies auch genutzt. In diesem Fall würden die Bestatter gerufen, um den Verfallsprozess in dieser Zeit einzudämmen. Dies könne auf verschiedene Art und Weise geschehen.
Die üblichen Methoden, um einen Körper möglichst lange zu bewahren, seien aber die Einbalsamierung und Kühlung. Acht Kühlplätze hält das Bestattungshaus Wolf in Wernigerode vor. Und einen für die Tiefkühlung. "Eine Konservierung benötigen wir etwa, wenn ein Verstorbener auf lange Reisen geschickt werden muss", so Schuster, der auch bereits Rückführungen nach Syrien und Bulgarien betreut hat. "Für eine Tiefkühlung braucht man aber immer auch eine Genehmigung vom Gesundheitsamt." Seien alle Maßnahmen vorgenommen und bürokratischen Vorgaben entsprochen, würden die rückzuführenden Toten mit ganz normalen Passagierflugzeugen ihre letzte Reise in die ganze Welt antreten. Um dort den Angehörigen die Möglichkeit zur individuellen Abschiednahme zu ermöglichen.
Corona-Pandemie hat Bestattungskultur verändert
Der persönliche Kontakt zu den Toten setzt sich auch hierzulande bei der Ausrichtung der Abschiedszeremonie fort. Inmitten von üppigen Blumenarrangements und mit offenem Sarg, so stellen sich viele Angehörige mittlerweile einen angemessenen Abschied von den Verstorbenen vor. "Es ist ein bisschen so, wie man es aus Filmen kennt", erklärt Schuster. "Allerdings", wirft er ein, "nicht in solch einer großen Kapelle, wie sie dort oft zu sehen ist." Hierzulande fände der Abschied in der Regel in kleinen und pietätvollen Räumlichkeiten statt, die meist keine große Besuchermenge aufnehmen könnten. Das, so der Beerdiger, sei aber ohnehin derzeit verboten.
Die Corona-Pandemie hat auch Auswirkungen auf die Bestattungskultur. Einerseits seien auch für Bestatter bei dem Umgang mit den so genannten Infektionsleichen zahlreiche Schutzmaßnahmen nötig. Andererseits könnten derzeit überall unterschiedlich viele Menschen persönlich Abschied nehmen, erklärt Schuster. Im Umfeld Wernigerodes beispielsweise seien es 30. In eine kleine Halle passten aber ohnehin nur zehn bis zwölf Angehörige. "Die Bestatter und andere mit der Beerdigung Betraute nicht mit eingeschlossen. Die Beschränkungen für die Größe der Trauergesellschaft werden sich aber bei der derzeitigen Entwicklung der Pandemie bestimmt noch einmal ändern," glaubt er.
Blütenpracht für Tote in Wernigerode
Ohnehin gebe es für den Fall, dass mehr Menschen die Zeremonie verfolgen wollten, heutzutage die gerne genutzte Möglichkeit, per Livestream zu trauern. "Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, weil die Technik auch Menschen den Abschied ermöglicht, die in ganz anderen Teilen der Welt seien. Auch für diese Fälle würde der offene Sarg besonders schön ausstaffiert. "Das Äußere zählt längst nicht so viel wie die Auskleidung", weiß Schuster. "Dafür staffieren wir den ganzen Sarg mit Blumen aus, damit die Angehörigen einen schönen und würdevollen Anblick haben."
Durch den Trend zur Blütenpracht steigen die Kosten der Beerdigungen allerdings. Knapp 100 Euro lassen sich Angehörige die Ausstaffierung des Sarges kosten. Noch einmal 150 Euro würde der Mehraufwand für den Mitarbeiter kosten. "Begräbnisse sind oft nicht so leicht aus der Portokasse zu bezahlen. Wir haben manchmal Angehörige hier, die sich die Beisetzung nicht oder nicht in dem gewünschten Umfang leisten können. Dann müssen wir schauen, dass sich die Hinterbliebenen nicht finanziell übernehmen, nur um nicht geizig zu wirken", erklärt Schuster. "Wegschicken tun wir aber in keinem Fall jemanden, nur weil er nicht die ausreichenden Mittel zur Verfügung hat. Dann gibt es beispielsweise die Möglichkeit, eine Unterstützung vom Sozialamt zu bekommen." Sehr selten sei das in der Vergangenheit fehlschlagen. "Das ist unser Risiko", so der Bestatter, "jeder Mensch hat das Recht auf eine würdevolle Beerdigung."
Hohe Summen für Beerdigungen
Wenige Male sei das Bestattungshaus dann auf den Kosten sitzengeblieben. "Da kommt einiges zusammen." Schuster rechnet vor, mit welchen Summen bei Bestattungen zu rechnen sei. Demnach werden für die eigentlichen Dienstleistungen vom Bestatter mit den Kosten für Arzt, Krematorium und Traueranzeige zwischen 2000 und 3000 Euro fällig. Hinzu kommen noch einmal etwa dieselbe Summe beim Steinmetz und zwischen 800 und 1500 Euro etwa für eine Urne und die Beleihung der Grabstelle. Und für die gilt beispielsweise in Wernigerode eine Liegezeit von mindestens zwanzig Jahren, während sie in ganz Deutschland auf mindestens 15 Jahren festgesetzt ist.
Dabei sind Unterschreitungen der Frist gesetzlich verboten und Überschreitungen durch die unterschiedliche Beschaffenheit der Böden geboten. Und eher die Regel als Ausnahmen. "In Lehm- und Steinböden, wie im Bereich des Harzes etwa, können nur schlecht Zersetzungen stattfinden", so Schuster. "Da konnte es früher manchmal schon zu Mumien kommen. Deswegen sind die vorgeschriebenen Ruhefristen so wichtig." Auch, wenn nur wenige Tote in Särgen bestattet werden würden.
Bestattungen für Angehörige wichtig
"Etwa 500 Feuerbestattungen im Jahr stehen konstant etwa 70 bis 100 Erdbestattungen gegenüber", erklärt der Bestatter aus Wernigerode. Der Trend zur Kremierung halte sich seit vielen Jahren. Und sei auch bei den Einbalsamierungen für Abschiede im offenen Sarg geboten. Schließlich dürften chemisch behandelte Körper nicht auf deutschen Friedhöfen beigesetzt werden, weil sie nicht vergehen würden. Dann bleibe nur noch die Urnenbestattung.
Welche Bestattungen sie gerne haben möchten und wie die Details aussehen sollen, legen einige ältere oder kranke Menschen bereits zu Lebzeiten fest. Manche, so Schuster, würden sogar im Vorfeld die Kosten übernehmen, um ihren Angehörigen den Abschied, etwa über eine Treuhandvorsorge, zu erleichtern. Bei all den Überlegungen im Vorfeld, beim Wunsch nach Blumenmeer oder pragmatischer Schlichtheit, solle aber eines bedacht werden: "Die Gestaltung der Beerdigungen ist meiner persönlichen Meinung nach für die Angehörigen und ihre Trauer da." Schließlich müssten die Hinterbliebenen mit ihrem Verlust auf ihre Art und Weise umgehen können. Das würde manchmal aus den Augen verloren.