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Nach Gebietsreform Nach Gebietsreform: Ehemalige Städte dürfen alte Titel wieder auf Ortsschildern tragen

Von Jan Schumann 29.11.2017, 09:21
Die Kreisgebietsreform in Sachsen-Anhalt verringerte die Zahl der Kreise von 21 auf 11. Die in Fläche und Einwohnerzahl deutlich größeren Kreise sollten mit schlankeren Verwaltungen handlungsfähiger werden und Geld sparen.
Die Kreisgebietsreform in Sachsen-Anhalt verringerte die Zahl der Kreise von 21 auf 11. Die in Fläche und Einwohnerzahl deutlich größeren Kreise sollten mit schlankeren Verwaltungen handlungsfähiger werden und Geld sparen. dpa-Zentralbild

Halle (Saale) - Was ein Trostpflaster für ehemalige Städte in Sachsen-Anhalt sein soll, entwickelt sich zur bürokratischen Posse: Frühere Städte dürfen zwar wieder ihren alten Titel auf Ortseingangsschildern tragen, obwohl sie nach Gebietsreformen nur noch Ortsteile sind. Dafür sollen aber die Namen ihrer neuen Einheits- oder Verbandsgemeinden, denen sie zugeordnet sind, gestrichen werden: Laut Gesetzeslage sind zwei Städtenamen pro Schild nämlich nicht erlaubt.

Das Landesverkehrsministerium hat die Neuregelung nun per Erlass fixiert. Es gehe dabei um die „historische Identität“. Mit einer ähnlichen Begründung hatte das Land ermöglicht, dass auf Nummernschilder das frühere Kreisstadt-Kürzel geführt werden darf.

Auslöser für die Rolle rückwärts bei den Ortsschildern ist Pretzsch

Auslöser für die Rolle rückwärts bei den Ortsschildern ist Pretzsch (Kreis Wittenberg): Mehr als 1 000 Jahre alt, ist Pretzsch ein Touristenmagnet. Auch wegen des Renaissance-Schlosses, erbaut im 16. Jahrhundert. Früher eigenständige Stadt, wurde Pretzsch 2009 aber zur Ortschaft heruntergestuft und der Stadt Bad Schmiedeberg einverleibt. Offiziell heißt es also nur „Pretzsch (Elbe), Stadt Bad Schmiedeberg, Landkreis Wittenberg“.

Das gefiel den Pretzschern nicht, die auf eine Rückkehr des Stadttitels drängten und auch vom Land genehmigt bekamen. Anhand des Pretzscher Beispiels wurde jetzt für alle ähnlichen Fälle geregelt: Auf den Schildern darf der alte neue Stadtname stehen und darunter der Kreis. Gestrichen werden muss dann aber der Name der Verbands- oder Einheitsgemeinde.

„Autofahrer und Zugereiste sollten schon zuordnen können, wo sie unterwegs sind“

Was die Pretzscher als Rückkehr ihrer alten Identität feierten, kommt an der Spitze der eigentlichen Stadt Bad Schmiedeberg nicht so gut an. Dass Bad Schmiedeberg auf dem Schild fehlt, sei unglücklich, kritisiert Bürgermeister Martin Röthel (SPD). „Das führt auch zu einem dauerhaften Widerspruch zu den Zielen der vergangenen Kommunalreformen.“ Der neue Erlass hilft laut Röthel nicht, Akzeptanz für die neuen Strukturen zu schaffen. Die Pretzscher bleiben zwar Ortsteil, Röthel fürchtet dennoch praktische Nachteile. „Autofahrer und Zugereiste sollten schon zuordnen können, wo sie unterwegs sind“, so Röthel.

Der Erlass wurde im Oktober verfasst. Nun könnten viele Orte nachziehen. Debattiert wird bereits in Hoym (Salzlandkreis): Die frühere Stadt wurde von der Stadt Seeland geschluckt, könnte dennoch den alten Titel führen.

Der Städte- und Gemeindebund überprüft nun die Entfernung der Namen von Verbands- und Einheitsgemeinden. „Da müssen wir noch mal Gespräche mit dem Innenminister führen“, kündigte Landesgeschäftsführer Jürgen Leindecker an. „Diese Namen der übergeordneten Kommune wegzulassen, halten wir für bedenklich.“ (mz)