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ÖPNV in Sachsen-Anhalt Müssen Fahrpläne wegen des 49-Euro-Tickets bald ausgedünnt werden?

Die Landkreise in Sachsen-Anhalt schlagen Alarm: Mit dem Start des 49-Euro-Tickets drohen ihren Verkehrsbetrieben hohe Verluste. Eine zentrale Frage ist trotz des geplanten Starts zum 1. Mai nämlich weiterhin ungeklärt.

Von Alexander Schierholz Aktualisiert: 07.02.2023, 06:49
Fahren auch Landkreis Anhalt-Bitterfeld dank des 49-Euro-Tickets bald weniger Busse?
Fahren auch Landkreis Anhalt-Bitterfeld dank des 49-Euro-Tickets bald weniger Busse? (Foto: André Kehrer)

Halle/MZ - Drei Monate vor dem Start des bundesweit gültigen 49-Euro-Tickets für den Nahverkehr warnen die Landkreise in Sachsen-Anhalt vor tiefen Einschnitten im regionalen Busverkehr. „Die Busunternehmen wissen nicht, welche Auswirkungen das Ticket auf ihre Einnahmen haben wird“, sagte Götz Ulrich (CDU), Präsident des Landkreistages und Landrat im Burgenlandkreis, der MZ.

Sollten der Bund und die Länder entstehende Verluste nicht vollständig ausgleichen, „werden wir den Verkehr ausdünnen müssen“. Die Kreise sind zuständig für den Betrieb der Regionalbusse, oft sind die Busunternehmen auch komplett oder teilweise in kommunaler Hand.

Ticketerlöse decken im Schnitt rund die Hälfte der Kosten im Nahverkehr

Bund und Länder hatten sich Ende Januar geeinigt, den „Deutschlandticket“ genannten Fahrschein zum 1. Mai einzuführen, danach hatte das Bundeskabinett den Weg dafür frei gemacht. Eine zentrale Frage ist allerdings noch nicht geklärt. Es gibt noch keinen Modus, wie die Einnahmen aus dem Ticketverkauf aufgeteilt werden. Das ist kompliziert, weil die Fahrkarten von einzelnen Bus- und Bahnbetreibern sowie Verkehrsverbünden verkauft werden, aber bundesweit genutzt werden können. „Die Einnahmenaufteilung ist eine Black Box“, sagte Ulrich, „wir wissen nicht, wo wir am Ende rauskommen.“

Ticketerlöse decken im Schnitt rund die Hälfte der Kosten im Nahverkehr. Nun aber befürchten die Betreiber, dass ihnen Geld entgeht, weil etwa viele Inhaber teurer Monatskarten künftig auf den günstigeren 49-Euro-Fahrschein zurückgreifen werden. „Monatstickets über 49 Euro werden künftig wohl so gut wie unverkäuflich sein“, sagte Christian Fischer, Geschäftsführer der Harzer Verkehrsbetriebe (HVB), der MZ. Das Unternehmen im Harzkreis verlangt für eine Abo-Monatsnetzkarte derzeit 90 Euro – viele dürften daher auf das Billigticket umsteigen. Weil das weniger Geld in der Kasse bedeute, seien Kürzungen im Fahrplan nicht ausgeschlossen, warnte auch Fischer.

„Unsere Hilferufe sollten von der Politik erhört werden“

Laut Ulrich will der Bund vorerst nur bis zum Jahresende Verluste der Betreiber auf Antrag ausgleichen, auf Basis der Einnahmen von 2019. Das reiche nicht aus, kritisierte der Landrat, weil seitdem gestiegene Kosten für Energie und Personal nicht berücksichtigt würden. „Es kann nicht sein, dass Bund und Länder sich ein Ticket ausdenken und die Landkreise finanziell darunter leiden.“ Allein der Burgenlandkreis hatte Ende vorigen Jahres wegen stark gestiegener Kosten die Zuschüsse an den kommunalen Busbetrieb um eine knappe Million Euro erhöhen müssen.

HVB-Chef Fischer mahnte: „Unsere Hilferufe sollten von der Politik erhört werden.“ Bund und Länder indes haben die Finanzierung des 49-Euro-Tickets gedeckelt: Bis 2025 wollen sie jährlich jeweils 1,5 Milliarden Euro bereitstellen. Ob das ausreicht, um steigende Verluste aufzufangen, ist unklar.

Verkauft werden soll das Deutschlandticket in digitaler Form via Smartphone-App

Verkauft werden soll das Deutschlandticket in digitaler Form via Smartphone-App. Doch auch in diesem Punkt gibt es aus Sicht von Sachsen-Anhalt noch Klärungsbedarf. Infrastrukturministerin Lydia Hüskens (FDP) forderte, es müsse auch Chipkarten geben. Ansonsten würden bestimmte Gruppen vom Erwerb des Tickets ausgeschlossen, sagte sie der MZ.

Zudem muss es aus Sicht von Hüskens für eine Übergangszeit das Ticket auch in Papierform geben, weil eine bundesweite digitale Kontrolle mit dem Start am 1. Mai technisch noch nicht möglich sein werde. HVB-Geschäftsführer Fischer bestätigte das: „Wir sind mittelfristig nicht in der Lage, digitale Tickets auszulesen. Die Technik in den Bussen ist dafür nicht ausgerüstet.“ Seite 6 und Wirtschaft