Meinung Kommentar zum Ausweg aus Strafzinsen: Gute Idee für extreme Zeiten
Die Kreditgeschäfte des Saalekreises sind originell, aber vermutlich nicht von Dauer.

Die von der EZB betriebene Politik der niedrigen Zinsen stellt die seit Jahrzehnten gewohnten Mechanismen des Finanzsystems auf dem Kopf. Wer Geld ausgeben will, bekommt es von den Banken seit Jahren hinterhergeworfen. Wer hingegen - und das gilt in Deutschland seit jeher als erstrebenswert - Geld sparen will, der wird bestraft, weil die Summe durch Inflation und lächerliche Zinsen dahinschmilzt - bei großen Vermögen sogar durch Minuszinsen.
Auch unter den Kommunen schafft die EZB Gewinner und Verlierer, je nach finanzieller Lage. Die Idee des vergleichsweise gut dastehenden Saalekreises, gerade nicht benötigtes Geld an bedürftige Gemeinden zu verleihen, ist deshalb höchst originell. Das Geschäft ermöglicht einen Ausgleich zwischen gegenläufigen Interessen. Der Landrat und der Kreistag in Merseburg schlagen der EZB gewissermaßen ein Schnippchen.
Der Saalekreis kann damit zum Vorbild werden. Denn ein Nebenher von Kommunen mit Rücklagen einerseits und drückenden Schulden andererseits gibt es vielerorts. Da die BaFin das Modell einmal abgesegnet hat, können auch andere darauf zurückgreifen. Es ist tatsächlich erstaunlich, dass bislang noch niemand auf die Idee gekommen ist.
So schön die Idee ist: Sie wird nur eine begrenzte Zeit funktionieren. Irgendwann werden die Zinsen wieder steigen. Klettern sie dann für Anleger wie Landkreise oder Städte über die Marke von null Prozent, gibt es für diese keinen Grund mehr, Geld an die klamme Verwandtschaft zu verleihen - dann geht es wieder zur Sparkasse.
Daher tun alle Kämmerer, alle Stadt- und Gemeinderäte gut daran, die tieferen Ursachen für kommunale Defizite aufzuspüren und diese - soweit es in ihrer Macht steht - abzustellen. Seite 1
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