Kinderheime stoßen an Grenzen Kinderheime in Sachsen-Anhalt stoßen an Grenzen: Ein Grund sind unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

Halle (Saale) - Die sozialen Träger der Kinder- und Jugendhilfe in Sachsen-Anhalt arbeiten mittlerweile an ihrer Belastungsgrenze: Ende 2016 waren insgesamt 3 122 Minderjährige in Heimen und sonstigen betreuten Wohnformen untergebracht. Das waren fast 30 Prozent mehr als zwei Jahre zuvor.
Einen weiteren Anstieg können die Träger nicht ohne weiteres verkraften. „Unsere sechs Einrichtungen der stationären Kinder- und Jugendhilfe in Sachsen-Anhalt stoßen derzeit an die Grenzen ihrer Kapazität“, sagt etwa Linda Hesse, die beim sachsen-anhaltischen Landesverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) die Kinder-, Jugend- und Familienhilfe leitet.
Sozial-Staatssekretärin: Viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt
Im Landes-Sozialministerium wird diese Entwicklung unter anderem auf den Zuzug von Asylbewerbern nach Sachsen-Anhalt zurückgeführt. „Der sprunghafte Anstieg ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass in den letzten Jahren vermehrt unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Sachsen-Anhalt gekommen sind“, erklärt Sozial-Staatssekretärin Susi Möbbeck (SPD).
Demnach waren Ende 2015 insgesamt 930 Flüchtlingskinder und Jugendliche ohne elterliche Begleitung im Land registriert. Ein Jahr danach stieg ihre Zahl allerdings bereits auf 1 466 Personen - ein Anstieg um 57 Prozent.
Für das ablaufende Jahr gibt es derzeit noch keine statistischen Daten zu den Heimbewohnern in Sachsen-Anhalt. Allerdings sank die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge im Land um knapp 300 Personen auf 1 181. Damit scheint die Spitze der Entwicklung bereits absolviert.
„Wir merken im DRK dass die Kinder und Jugendlichen komplexere Probleme haben“
Auch wegen dieses Rückgangs sieht das Land keinen akuten Handlungsbedarf. „Generell ist Sachsen-Anhalt in diesem Bereich gut aufgestellt“, sagt Staatssekretärin Möbbeck, die auf „ein ganzes Bündel“ an bereits existierenden Maßnahmen verweist. „Das reicht von begleitenden Erziehungshilfen für Eltern über die Förderung von Familienverbänden bis hin zur allgemeinen Kinder- und Jugendarbeit.“
Bei den sozialen Trägern ist von dieser Entspannung in den Heimen allerdings noch nichts zu merken. Laut Linda Hesse vom DRK ist der Betreuungsbedarf auch in diesem Jahr nicht gesunken. Im Gegenteil: Er steige sogar. Die Belastung der Betreuungseinrichtungen ist nicht nur eine quantitative, sondern auch eine qualitative Frage. „Wir merken im DRK dass die Kinder und Jugendlichen nicht nur häufiger, sondern auch komplexere Probleme haben“, sagt Hesse.
So seien die heranwachsenden Asylbewerber zu ihrer Traumatisierung oft mit Lernschwächen und medizinischen Einschränkungen konfrontiert. Diese mehrfachen Herausforderungen an die Betreuung verlängern letztlich die Zeit in den Heimen.
Die Auslastung der Heime geht zwar zu einem großen Teil auf Flüchtlinge zurück, ist aber längst nicht der alleinige Grund. Hinzu kommt laut Staatssekretärin Möbbeck, dass es auch in der Öffentlichkeit eine stärkere Beachtung von familiären Problemen gebe. „Die Gesellschaft - vor allem Institutionen wie Schulen, Kitas, Kinderärzte und die Polizei – ist tatsächlich sensibler geworden, was die Gefährdung von Kindern und Jugendlichen angeht“, sagt Möbbeck. Daraus ergebe sich zwangsläufig ein erhöhtes Aufkommen an entsprechenden Hilfeleistungen. (mz)