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Strukturelle Fehler? Fall Inga: Neue Zweifel an Polizei und Gutachterin nach zehn Jahren

Ein Jahrzehnt nach dem rätselhaften Verschwinden der fünfjährigen Inga aus Sachsen-Anhalt steht die damalige Polizeiarbeit in der Kritik. Fachleute werfen den Ermittlungsbehörden strukturelle Mängel und mögliche Interessenskonflikte vor.

Von DUR/fp 05.05.2025, 14:56
Zehn Jahre nach dem Verschwinden der kleinen Inga geraten Polizei und Gutachterin in die Kritik. Experten sprechen von möglichen zerstörten Spuren und fragwürdigen Entscheidungen.
Zehn Jahre nach dem Verschwinden der kleinen Inga geraten Polizei und Gutachterin in die Kritik. Experten sprechen von möglichen zerstörten Spuren und fragwürdigen Entscheidungen. Foto: dpa

Stendal/Schönebeck. - Zehn Jahre nach dem Verschwinden der damals fünfjährigen Inga während eines Familienausflugs äußern Experten Kritik an der Polizeiarbeit. Der Digitalforensiker Dirk Labudde von der Hochschule Mittweida sagte gegenüber dem MDR, es sei möglich, dass durch die frühe, aber unkoordinierte Suchaktion wichtige Spuren an einem potenziellen Tatort verwischt worden seien.

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Zur Erinnerung: Inga war im Mai 2015 spurlos verschwunden. Die Suche verlief zunächst unter der Annahme, das Kind habe sich im Wald verlaufen. Erst nach 36 Stunden begann die Kriminalpolizei mit eigenen Ermittlungen. Dieser späte Übergang könnte nach Ansicht des Experten entscheidende Hinweise zunichtegemacht haben. 

Zehn Jahre später deute vieles darauf hin, dass Ingas Verschwinden kein tragischer Zufall, sondern möglicherweise ein Verbrechen war, so Labudde im MDR.

Vermisstenfall Inga Gehricke: Kritik an Gutachten und möglichen Interessenskonflikten

Auch neue Details zur Rolle einer Psychologin, die 2016 mit einer Fallanalyse beauftragt wurde, lassen die Polizeiarbeit in einem unglücklichen Licht erscheinen. Die Analyse wurde vom damaligen Ermittlungsleiter initiiert, mit dem die Gutachterin laut dem MDR bereits zu dieser Zeit liiert war - mittlerweile sind die beiden verheiratet. Der Rechtsanwalt Steffen Tzschoppe, der einen Bruder von Inga vertritt, wirft den Behörden deshalb mögliche strukturelle Fehler und fehlende Unabhängigkeit vor.

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Laut Aktenlage war zunächst ein anderer Gutachter vorgesehen, der jedoch aus terminlichen Gründen nicht zur Verfügung stand. Die Staatsanwaltschaft betonte auf Nachfrage des MDR, die Beauftragung sei auf Anweisung erfolgt. Ursprünglich sei lediglich ein kognitives Interview geplant gewesen – später sei dies um eine psychologische Tathergangsanalyse ergänzt worden, so die Staatsanwaltschaft. Eine eigentliche Fallanalyse findet sich laut MDR im Gutachten jedoch nicht.

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Zudem stellt sich die Frage nach der fachlichen Qualifikation der Gutachterin. Auf ihrer Website finden sich, wie der MDR recherchiert hat, keine Angaben zu Erfahrungen im Bereich der Kriminalpsychologie. Allerdings absolvierte sie in den frühen 2000er-Jahren ein Praktikum bei der Polizei – in jenem Kommissariat, das später im Fall Inga ermittelte.

Zweifel am Suchgebiet und an der polizeilichen Strategie

Auch die Familie des verschwundenen Mädchens stellt heute Fragen. Ingas Mutter Victoria Gehricke betonte 2023 rückblickend, sie habe zwar zunächst Vertrauen in die Polizei gehabt, zweifle heute, ob von Beginn an am richtigen Ort gesucht wurde. Sie vermutet, dass der Fokus zu schnell auf den angrenzenden Wald gelegt wurde, obwohl andere Orte wie der Wilhelmshof ebenfalls hätten geprüft werden müssen.

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Bis heute konnten trotz umfangreicher Maßnahmen keine konkreten Hinweise zum Verbleib des Mädchens gefunden werden.