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Immer mehr Notrufe Immer mehr Notrufe: Besonders Ausländer vergiften sich in Deutschland mit Pilzen

Von Ralf Böhme 25.08.2017, 07:00
Grüne Knollenblätterpilze: Die Zahl der Pilzvergiftungen ist in diesem Sommer extrem gestiegen.
Grüne Knollenblätterpilze: Die Zahl der Pilzvergiftungen ist in diesem Sommer extrem gestiegen. Zentralbild

Halle (Saale) - Pilzsammler leben in diesem Sommer besonders gefährlich. Das feuchtwarme Wetter lässt Pilze früher als sonst und besonders reichlich wachsen. Vor allem aber gibt es viel mehr giftige Exemplare als in den Vorjahren. Die Folge: Obwohl die Pilzsaison noch am Anfang steht, ist die Zahl der Vergiftungsfälle in Mitteldeutschland bereits dramatisch nach oben geschnellt.

Pilze: Immer mehr Anrufe im Gift-Informationszentrum Erfurt

Allein beim Gift-Informationszentrum in Erfurt, das für Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen zuständig ist, sind seit Anfang Juli mehr als 110 Notrufe eingegangen. Wenn der Trend anhält, wird der Höchststand des vergangenen Jahres bald überschritten. Damals mussten die Spezialisten in 340, teils lebensbedrohlichen Fällen eingreifen. Normalerweise läuft die Pilz-Saison bis Ende Oktober.

Es zeichnet sich bereits ab: Das südliche Sachsen-Anhalt gehört in diesem Jahr neben Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz bundesweit zu den Brennpunkten.

Die meisten Todesfälle gehen auf das Konto des Grünen Knollenblätterpilzes. Von diesen Killern gibt es aktuell besonders viele Exemplare - auch an Stellen, wo sie bislang nicht aufgetaucht sind. Nach Verzehr kann selbst die spätere Einnahme eines Gegengiftes oft nichts mehr retten. Vergiftete melden sich zudem oft zu spät beim Arzt.

Experte: „Wer keine Ahnung hat, verwechselt gute und giftige Pilze leicht.“

Schwerste Leberschäden sind dann kaum noch zu heilen, warnt Dieter Massow aus Zeitz (Burgenlandkreis), einer der erfahrensten Pilzberater landesweit. Das Tückische: „Wer keine Ahnung hat, verwechselt gute und giftige Pilze leicht.“ Der grüne Knollenblätterpilz sieht etwa einigen Champignonsorten sehr ähnlich. Gleiches trifft laut Massow auf den hochgiftigen Pantherpilz und seinen Gegenspieler zu, den essbaren Grauen Wulstling.

Ein erhöhtes Risiko besteht für viele Ausländer, die oft erst seit kurzer Zeit in Deutschland leben. So berichtet der Göttinger Gift-Experte Andreas Schaper von syrischen Flüchtlingen, die Erfahrungen über essbare Pilze auf die hiesigen Verhältnisse übertrügen und damit oft die „falschen“ Pilze sammelten. Menschen aus Osteuropa wiederum scheuten vielfach nicht den Verzehr von Kahlen Kremplingen, die unter Umständen zu irreparablen Blutvergiftungen führten.

Grüner Knollenblätterpilz und Fliegenpilz sind besonders gefährlich

Besonders augenfällig - und deshalb für unkundige Sammler anziehend - sind die Fliegenpilze. Sie gehören wie der Grüne Knollenblätterpilz zu den Wulstlingen und sind ebenfalls giftig. In manchen Kulturen wird der Fliegenpilz als Rauschmittel verwendet. Hierzulande warnen Fachleute jedoch ausdrücklich vor dem Verzehr. Das Gift von Knollenblätterpilzen führe nicht nur zu Erbrechen und Durchfall, sondern könne auch die Leber angreifen. Unkundige Sammler gingen daher ein unkalkulierbares Risiko ein, warnte Bettina Plenert vom Gift-Informationszentrum.

Der renommierte Pilzexperte Wulf Schultze machte bereits vor einiger Zeit auf das Problem aufmerksam. „Heute ziehen die Sammler mit Handys ins Gelände, ohne eine Ahnung, aber dafür mit einer App. Dass es da zu Verwechslungen bei den Pilzen kommt, ist kein Wunder.“ Ein gewaltiges Risiko. So seien zehn Todesfälle pro Jahr in Deutschland auf den Verzehr des hochgiftigen Grünen Knollenblätterpilzes zurückzuführen, sagt Schultze. (mz)