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Gesundheit  Fünf Pflegegrade statt drei Pflegestufen: Pflegeversicherung wird reformiert.

Von Tilo Krippendorf und Kerstin Metze 20.07.2016, 18:28
Ab 2017 beginnt in der Altenpflege eine neue Zeitrechnung. Die drei Pflegestufen sollen dann durch fünf Pflegegrade ersetzt werden.
Ab 2017 beginnt in der Altenpflege eine neue Zeitrechnung. Die drei Pflegestufen sollen dann durch fünf Pflegegrade ersetzt werden. dpa

Magdeburg - Wenn am Neujahrsmorgen 2017 ein neues Jahr anbricht, beginnt auch in der gesetzlichen Pflegeversicherung eine neue Zeitrechnung. Die wichtigsten Gradmesser - drei Pflegestufen, die das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit derzeit noch einordnen, sind dann passé.

Ersetzt werden sie durch fünf Pflegegrade. „Für uns als Träger der Pflegedienste bedeutet das schon im Vorfeld einen enormen bürokratischen Aufwand“, sagt der Fachreferent des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Sachsen-Anhalt, Marcel Kabel.

Mobile Pflegedienste stärken

Gemeinsam mit Kristin Schulze, Fachreferentin der Diakonie im Land, spricht er für die Liga der freien Wohlfahrtsverbände. Schulze nennt es einen Paradigmenwechsel in der Pflege.

Erstmals erhalten alle Pflegebedürftigen gleichberechtigten Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung, unabhängig davon, ob sie von körperlichen oder psychischen Einschränkungen betroffen sind.

Ganz genau wissen die Verbände im Land aber noch nicht, was da nach der „Pflege-Revolution“ auf sie zukommen wird. Beschlossen wurde die Zeitenwende im Zweiten Pflegestärkungsgesetz. Ein Ziel soll unter anderem sein, Demenzkranken oder Menschen mit erheblichen Einschränkungen der Alltagskompetenz die gleichen Pflegeleistungen zukommen zu lassen wie körperlich beeinträchtigten Menschen.

Auch die mobilen Pflegedienste sollen gestärkt werden, die in Sachsen-Anhalt bei der letzten Erhebung im Jahr 2013 rund 23 000 Patienten versorgten. „Für Pflegebedürftige mit kognitiven Einschränkungen und deren Angehörige ist das Gesetz auf jeden Fall eine Verbesserung“, sagt Schulze.

Gutachter prüfen die Pflegebedürftigkeit

Künftig werden Gutachter Punkte über die Beeinträchtigung im Alltag verteilen und anhand dessen einen Pflegegrad vergeben. Die Prüfer gucken beispielsweise: Gibt es Probleme mit der Nahrungsaufnahme? Gibt es depressive Stimmungslagen? Wie ist es um die zeitliche Orientierung bestellt?

Der Pflegegrad wird dann anhand der Punktzahl berechnet. Danach richten sich wiederum die Leistungen der Pflegeversicherung.

Wichtig für alle, die bereits Pflegeleistungen bekommen: Sie werden zum 1. Januar 2017 automatisch in einen der neuen Pflegegrade übergeleitet.

Beim Bundesgesundheitsministerium heißt es: „Alle, die bereits Pflegeleistungen erhalten, erhalten diese mindestens in gleichem Umfang weiter, die allermeisten erhalten mehr Unterstützung.“

„Bis jetzt ist noch unklar, wie hoch der personelle Unterstützungsbedarf sein wird“, sagt Kabel. Doch gerade die Frage des Personals bereitet den Pflegediensten Kopfzerbrechen.

Zum einen gibt es in Sachsen-Anhalt nicht ausreichend Interessenten für den relativ schlecht bezahlten und als unattraktiv geltenden Beruf. Zum anderen ist qualifizierter Nachwuchs kaum in Sicht.

„Wer fordert, dass Altenpflege besser bezahlt wird, muss auch wissen, dass es direkt an das Geld der Bedürftigen gehen muss. Die Pflegeversicherung ist ja nur eine Teilleistung“, erklärt Kabel.

Der Beitragssatz der Pflegeversicherung steigt zum 1. Januar um 0,2 Prozentpunkte auf 2,55 beziehungsweise 2,8 Prozent für Kinderlose. Bis zum 30. September müssen dem Bundesgesundheitsministerium zufolge die Träger der Pflegeeinrichtungen und die Kassen neue Pflegesätze für die Heime vereinbaren.

Auch die Kosten für die Ausbildung müssen letztlich die Pflegebedürftigen oder auch deren Angehörige zahlen. „Wer Pfleger ausbildet, schafft sich eigentlich einen Nachteil im Wettbewerb. So kurzfristig können wir aber nicht denken“, schildert Schulze die derzeitige Situation.

Mehr Personal nötig

Doch der Personalbedarf wird steigen. „Wir haben heute schon große Probleme, Fachpersonal zu bekommen“, sagt die Landesbeauftragte des Bundesverbandes privater sozialer Dienste, Annette Schmidt. „Derzeit ist eine sehr angespannte Situation in der Altenpflege.“

Eine Studie zur Zukunft der Pflegesituation in Sachsen-Anhalt ist gerade in Arbeit, Ergebnisse folgen im Herbst. Eine erste Erkenntnis: Bis 2025 wird die Zahl der Pflegebedürftigen im Land um 13 Prozent steigen. 2013, im Jahr der letzten Erhebung des Statistischen Bundesamtes, gab es im Land 534 Pflegedienste und 517 Pflegeheime. Rund 92 000 Menschen waren pflegebedürftig, mehr als jeder Dritte wurde zu Hause versorgt. (mz)