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Fast 25.000 Klagen Fast 25.000 Klagen: Krankenkassen und Krankenhäuser streiten in Sachsen-Anhalt um 58 Millionen

Von Hagen Eichler 21.12.2018, 07:00

Magdeburg - Die beispiellose Klagewelle von Krankenkassen gegen Krankenhäuser bereitet den Sozialgerichten in Sachsen-Anhalt anhaltend Kopfschmerzen. Unter politischem Druck von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) haben führende Kassenvertreter zwar zugesichert, eine Rücknahme der Klagen zu prüfen.

Praktische Folgen hat das aber bislang kaum. „Wir merken von dieser Absichtserklärung bislang nichts“, erklärt etwa Nico Julius, Sprecher des Sozialgerichts Magdeburg.

Krankenkassen gegen Kliniken - 24.939 Klagen an Gerichten in Halle, Dessau und Magdeburg

Laut Justizministeriums sind bei den Sozialgerichten Halle, Dessau und Magdeburg Klagen zu 24.939 Abrechnungsfällen eingegangen. Nach einer Hochrechnung der Krankenhausgesellschaft dreht sich der Streit um 58 Millionen Euro. Die Kassen fordern von den Krankenhäusern für zwei bestimmte Behandlungen von Schlaganfall- und Geriatriepatienten Geld zurück. Um eine kurzfristig ins Gesetz geschriebene Verjährungsfrist einzuhalten, haben sie bis zum 9. November wie am Fließband Forderungen aufgelistet.

Um den Papierberg anzugehen, hat das Sozialgericht Halle das bestehende Personal jetzt auf 25 neue Kammern aufgeteilt. Die bislang mit Kassen-Streitigkeiten befassten Kammern hätten die Arbeit nie bewältigen können, erklärte ein Sprecher. Ob das Land zusätzliche Richter einstellen wird, ist noch offen.

„Wenn sich herausstellt, dass das nötig ist, werden wir reagieren“, kündigte ein Sprecher des Justizministeriums an. Die Sozialgerichte sind bereits durch Klagen gegen Hartz IV überlastet. Die 27 Richter am Sozialgericht Magdeburg etwa schieben 14.300 unerledigte Verfahren vor sich her.

Barmer verzichtet auf Klage gegen Krankenhäuser

Ursache der Kassenklagen sind neue gerichtliche Vorgaben für bestimmte Behandlungen. So darf der Transport von Schlaganfallpatienten 30 Minuten nicht überschreiten. Passiert das dennoch, kann die Kasse Geld zurückverlangen. Um die befürchtete Klagewelle zu verhindern, hat der Bundestag in einer überraschenden Aktion die Verjährungsfrist auf zwei Jahre halbiert.

Viele Kassen kamen dem jedoch zuvor, indem sie ihre Altfälle noch schnell zu Gericht brachten. Sie berufen sich darauf, dass sie Ansprüche im Interesse ihrer Mitglieder durchsetzen müssten. Dazu sei man rechtlich verpflichtet, heißt es. Die Barmer hingegen hat auf gerichtliche Auseinandersetzungen gänzlich verzichtet.

AOK will Klagen ruhen lassen - und will Lösungen finden

Die AOK, größte Kasse in Sachsen-Anhalt, will nun erst einmal Zeit gewinnen. Sie hat beantragt, die Klagen ruhend zu stellen. „Wir suchen derzeit aktiv mit den Krankenhäusern Gespräche, um konstruktive Lösungen zu finden“, sagte AOK-Sprecherin Anna-Kristina Mahler. Der vom AOK-Bundesverband in Aussicht gestellter Klagerückzug hingegen ist noch nicht absehbar.

Die Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt sieht Kompromissangebote der AOK kritisch. „Wir haben den betroffenen Krankenhäusern empfohlen, jedweden ‚Deal‘ abzulehnen und weitere Begründungen für die Vergütungsansprüche der Krankenhäuser vorzutragen“, sagte Verbandsgeschäftsführer Gösta Heelemann. Ziel müsse sein, dass die AOK ihre Klage fallenlasse.

Die kleinere IKK gesund plus mit Sitz in Magdeburg hat sich nach eigener Aussage mit einem Krankenhaus bereits geeinigt. „Mit den anderen haben wir Gesprächstermine. Wir gehen auf die Krankenhäuser zu und finden einen Kompromiss“, sagte Unternehmenssprecher Gunnar Mollenhauer. (mz)