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Chat-Affäre bei der AfD Chat-Affäre bei der AfD: Landeschef Martin Reichardt: "Haben die Wähler enttäuscht"

Von Hagen Eichler 10.09.2018, 08:57
Martin Reichardt, Landesvorsitzender der AfD.
Martin Reichardt, Landesvorsitzender der AfD. dpa-Zentralbild

Dessau-Roßlau - Eine Woche lang hat der AfD-Landeschef öffentlich geschwiegen. Kein öffentliches Wort wollte Martin Reichardt zur neuesten Intrige in seinem Landesverband verlieren, zum Veröffentlichen eines pikanten Sex-Chats. Am Sonntag beim Landesparteitag in Dessau Roßlau wirkt es dann, als wolle Reichardt sein Schweigen durch verzehnfachte Lautstärke ausgleichen. Einen Reporter der „Volksstimme“ geht er in seiner Rede persönlich an. „Ich werde mir von der Presse niemals sagen lassen, was ich wann zu sagen habe“, brüllt Reichardt in den Saal und erntet Jubel.

Reichardt wählt die Attacke auf die Presse, um seine Parteifreunde mitzureißen. Dass er im Kern seine eigene Truppe kritisiert, fällt da weniger auf. Von einer „Verletzung der Privatsphäre“ spricht er. Man habe damit die eigenen Wähler enttäuscht. „Bewahren wir Anstand nach innen. Seien wir Parteifreunde“, fordert Reichardt.

Parteitag der AfD in Dessau: 300 Mitglieder sind im Hugo-Junkers-Saal des Golfparks

300 Mitglieder sind im Hugo-Junkers-Saal des Dessauer Golfparks zusammengekommen, um Delegierte für die Europa-Wahlversammlung zu bestimmen. Für die 17 Plätze bewerben sich 44 Kandidaten. Immer wieder geht es um die Vergangenheit Einzelner. „Haben Sie bei Facebook Inhalte mit Adolf Hitler verbreitet?“, wird etwa Andreas Kühn aus der Börde gefragt. Der sagt, als Hobby-Modellbauer habe er bei Facebook viele Modelle mit einem „Gefällt mir“ versehen. „Darunter auch ein 5,2 Zentimeter großes Modell des genannten Herrn“, sagt Kühn über Hitler.

Der seit langem als einstiger Stasi-Mitarbeiter enttarnte Ronald Bischoff aus dem Harz hingegen verblüfft den Parteitag mit der Andeutung, er habe als Doppelagent auch dem BND gedient. Als Offizier des MfS sei er für die Sicherheit der Sowjettruppen und der innerdeutschen Grenze zuständig gewesen, bestätigt Bischoff. Zu einer BND-Tätigkeit dürfe er sich nicht äußern. Nur so viel: „Ich habe mein Wissen der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung gestellt.“

Parteitag der AfD: Etliche Kandidaten berichten von Mitgliedschaften in früheren Parteien

Etliche Kandidaten berichten von Mitgliedschaften in früheren Parteien. Genannt werden SED, NDPD, CDU, SPD, DKP, FDP und die Republikaner. Was mit Blick auf die Europawahl alle eint, ist die Feindschaft gegenüber Brüssel. Von einem „Moloch“ spricht Daniel Roi aus Bitterfeld-Wolfen, er fordert eine Volksabstimmung über den Austritt Deutschlands.

Hannes Loth, auch er aus dem Kreisverband Anhalt-Bitterfeld, will das sofortige Verlassen der EU. Das „Schiff mit dem betrunkenen Juncker am Steuer“ gehöre auf den Grund des Ozeans - gemeint ist Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Geschimpft wird auch über „die Hartz-IV-Länder am Mittelmeer“ und den Euro, der notfalls wieder durch die D-Mark ersetzt werden müsse.

Parteitag der AfD beginnt mit dem Protest von rund 40 Demonstranten vom Bündnis „Dessau nazifrei“

Was durch die lang andauernde Stimmenauszählung immer weiter nach hinten geschoben wird, ist der schwelende Konflikt um die Parteifinanzen. Etliche Mitglieder erwarten Aufklärung - ein Parteitag im Juni hatte dem Landesvorstand die Entlastung verweigert. Dem damals abgewählten Landesschatzmeister Frank Pasemann werden Unregelmäßigkeiten vorgeworfen.

Schon am Morgen war es zu einer ersten Kampfabstimmung gekommen. Börde-Kreischef Steffen Schroeder beantragte da, dass alle Kandidaten offenlegen müssen, ob sie an ihre Partei Mandatsträgerabgaben zahlen. Auch da dürfte er vor allem Ex-Schatzmeister Pasemann im Blick gehabt haben. Ihm werfen Gegner seit langem vor, er halte finanzielle Zusagen an die Partei nicht ein. 111 Mitglieder stimmen schließlich für die Offenlegung, 110 stimmen dagegen. Pasemann wird sich später nicht zur Wahl stellen.

Begonnen hatte der Parteitag mit dem Protest von rund 40 Demonstranten vom Bündnis „Dessau nazifrei“. (mz)