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Notnagel in Not Bewerbermangel bei Wachpolizei in Sachsen-Anhalt

Von Jan Schumann 04.05.2017, 09:37
Die Polizei in Sachsen-Anhalt hat Nachwuchssorgen.
Die Polizei in Sachsen-Anhalt hat Nachwuchssorgen. dpa-Zentralbild

Magdeburg - Sachsen-Anhalts Innenministerium stemmt sich gegen den Personalmangel im Polizeiapparat. Um mehr Kräfte zu rekrutieren und für Entlastung zu sorgen, stellte Minister Holger Stahlknecht (CDU) vor einem Jahr die ersten Hilfspolizisten ein. Zwölf Monate später ziehen Innenpolitiker und Gewerkschaften eine durchwachsene Zwischenbilanz. Sie erwarten auch langfristig eine angespannte Personalsituation.

Zwar würden die neuen Kräfte  punktuelle Entlastung  bringen, so die Einschätzung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Doch bereits jetzt fehlen Bewerber, um die anvisierten 100 Wachpolizei-Stellen bis September  zu besetzen. Vor einem Jahr waren zunächst 20 Stellen besetzt worden, bei einer zweiten Runde im März fanden sich nur  35 geeignete Bewerber für 40 vakante Posten. Weitere 40 Wachpolizisten sollen im September eingestellt werden.

Doch wie bei der regulären Polizei zeichne sich ein Bewerberengpass ab, so SPD-Innenexperte Rüdiger Erben. „Wenn wir schon Schwierigkeiten haben, dieses Jahr 700 reguläre Polizeianwärter zu finden, gibt es nicht mehr  viele Motive, sich als Wachpolizist zu bewerben.“

Hilfspolizisten in Sachsen-Anhalt: Es fehlt an Bewerbern

Die Wachpolizisten sollen die regulären Einsatzkräfte bis 2019  bei der  Verkehrsüberwachung  entlasten und Schwerlasttransporte begleiten. Sie bekommen eine dreimonatige Ausbildung, die Einstellungsvoraussetzungen sind  gelockert. So entfällt etwa der Sporttest.  Zeitgleich   will die Landesregierung die reguläre Polizei aufstocken: Bis 2021 soll es 6 400 statt aktuell rund 5 900 Polizisten geben. Wachpolizisten sollen später in den mittleren Dienst  wechseln können, wenn  sie  die  Qualifikation nachweisen. 

Innenminister Stahlknecht  hatte die Wachpolizei zur Einführung „ein notwendiges, aber zeitlich begrenztes Instrumentarium“ genannt, die DPolG hatte „zähneknirschend“ zugestimmt. Deren Landeschef Wolfgang Ladebeck sagte, angesichts der Dauerbelastung durch Fußballspiele, Demonstrationen und ähnliches bringe die Wachpolizei Entlastung.  Laut GdP-Landeschef Uwe Petermann ist wieder eine Verkehrsüberwachung in größerem Rahmen möglich. „Die ist vorher streckenweise zum Erliegen gekommen.“ Die Gewerkschafter sind dennoch  strikt gegen eine Verlängerung der Maßnahme,  pochen auf Neueinstellungen.

Hilfspolizisten in Sachsen-Anhalt: Gewerkschaft der Polizei gegen eine Verlängerung des Programms

Doch Innenpolitiker sehen das Versprechen mit „großer Skepsis“, so Hagen Kohl. Der AfD-Innenexperte verweist darauf, dass im März statt 300 Polizeianwärtern nur 226 geeignete Bewerber den Dienst antraten. Das Ministerium schiebt die freien Stellen in den September. Dann könnten  rund 470 Anwärter beginnen. 

Angesichts des sich abzeichnenden Bewerbermangels drängt der Grünen-Abgeordnete Sebastian Striegel auf eine breitangelegte Marketingkampagne.  Laut Henriette Quade, Innenexpertin der Linken, erreiche man Attraktivität  nur dann, „wenn die Landesregierung die Sparschwein-Mentalität im öffentlichen Dienst ablegt“. Teil des Problems sei auch, dass mehr als 1.200 Polizisten im Land auf eine Beförderung warten.  Staatssekretärin Tamara Zieschang (CDU) sagte, „wir gehen davon aus, dass wir die vorgesehene Einstellung von Anwärterinnen und Anwärtern auch künftig realisieren können“. Heißt: Eine Verlängerung der Wachpolizei über 2019 sei nach derzeitigem Stand „nicht geboten“. (mz)