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Bildung Architekten werden Lehrer: Wie Sachsen-Anhalt den Mangel an Pädagogen beseitigen will

An den Schulen fehlen Pädagogen, Sachsen-Anhalt geht nun neue Wege: Es sucht mehr Seiteneinsteiger - jetzt auch ohne ein Fachstudium für die Stundentafel.

Von Jan Schumann 21.06.2021, 06:00
Sachsen-Anhalt will mehr Seiteneinsteiger als Lehrer gewinnen.
Sachsen-Anhalt will mehr Seiteneinsteiger als Lehrer gewinnen. (Foto: Philipp von Ditfurth/dpa)

Magdeburg - Dem Lehrermangel in Sachsen-Anhalt begegnet die Landesregierung mit ungewöhnlichen Maßnahmen. Um den Kreis der potenziellen Bewerber zu erhöhen, lockert das Bildungsministerium die Einstellungsvoraussetzungen für Seiteneinsteiger erheblich: Erstmals können sich auch Hochschulabsolventen auf Jobs vor der Tafel bewerben, die keinen Abschluss in einem klassischen Schulfach wie Mathematik, Biologie oder Geschichte vorweisen können.

Gefragt sind nun etwa auch studierte Architekten oder andere Hochschulabsolventen, deren praktische Joberfahrung eine Arbeit als Lehrer erlaubt. Das Land ermögliche so den Seiteneinstieg für Bewerber, „die bisher keinen Zugang hatten, auf deren Erfahrung und Kompetenz wir aber nicht verzichten wollen“, sagte Bildungsstaatssekretärin Eva Feußner (CDU) der MZ.

Weil bundesweit akuter Lehrermangel herrscht, setzt Sachsen-Anhalt schon seit Jahren auf Seiteneinsteiger ohne klassisches Lehramtsstudium - bisher aber auf solche, deren Studium zumindest eine eindeutige Fachzuteilung erlaubt. Das ändert sich jetzt: Schon im April hatte das Land weitgehend unbemerkt 50 Lehrerstellen unter gelockerten Einstellungskriterien ausgeschrieben, 35 weitere Ausschreibungen folgten bis Juni - und zwar für den Einsatz in Sekundar- und Gemeinschaftsschulen. So könnten die Lehrer-Neueinsteiger bereits im neuen Schuljahr vor der Tafel stehen. Mehr noch: Das Ministerium hält den Einsatz solcher Seiteneinsteiger auch an Grund- und Förderschulen für sinnvoll.

Neue Strategie: Sachsen-Anhalt will mehr Quereinsteiger zu Lehrern machen

Es ist eine Richtungsentscheidung in der Schulpolitik, mit der das Ministerium Neuland betritt. Sachsen-Anhalt sieht die Öffnung nun als eine Art Modellversuch. Es gelte jetzt, die Erfahrungen mit den neuen Bewerbern „genau auszuwerten und die richtigen Schlüsse zu ziehen“, sagte Feußner. Denkbar ist der neue Seiteneinstieg auch für Absolventen sogenannter Orchideenfächer, so das Ministerium. Zum Beispiel für Ethnologen oder Afrikanisten, die bereits Jahre im Ausland gearbeitet haben und nun als Englischlehrer eingesetzt werden können.

Zwingende Voraussetzung ist aber ein Diplom, Master oder vergleichbarer Hochschulabschluss. Wie alle Seiteneinsteiger müssen die Neuen vor dem Schuleinsatz einen vierwöchigen Pädagogik-Intensivkurs bestehen, hinzu kommt eine berufsbegleitende Fortbildung. Die Anstellung ist zunächst auf zwei Jahre befristet. Mit einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 10 verdienen die neuen Seiteneinsteiger demnach etwas weniger als ein Grundschullehrer.

Vom Architekten zum Lehrer - Seiteneinsteiger verdienen weniger

In Sachsen-Anhalt fehlen Hunderte Lehrer, um den vorgesehenen Unterricht nach Plan zu erteilen. Das ergibt sich aus Anfragen der Linksfraktion. Woran es nicht scheitert, ist Geld: Seit 2016 habe Sachsen-Anhalt fast 5.000 Lehrer eingestellt, die Marke werden „in wenigen Tagen“ erreicht, so das Bildungsministerium. Allerdings müssten noch deutlich mehr Pädagogen eingestellt werden, um Altersabgänge und steigende Schülerzahlen zu kompensieren.

Dass das Land neue Wege gehen muss, sieht selbst die Opposition so. Linken-Politiker Thomas Lippmann beklagt aber, dass schon bisherige Seiteneinsteiger ungenügend begleitet würden, sobald sie im Schuldienst seien. Er bezweifelt, dass sich nun tatsächlich für alle Sonderausschreibungen Bewerber finden - auch wegen der niedrigeren Bezahlung. Die AfD als größte Oppositionsfraktion begrüßte den neuen Schritt des Landes. „Wir sind für eine Liberalisierung des Seiteneinstiegs“, sagte Hans-Thomas Tillschneider. Er fügte hinzu, pädagogisches Talent lasse sich ohnehin nur bedingt an der Uni erlernen. (mz)