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Vom Superstar zum Außenseiter André Poggenburg - Vom Superstar zum Außenseiter: Einst gefeiert - heute von Parteifreunden verstoßen

Von Jan Schumann 12.01.2019, 11:00
Zerbrochene Machtachse: 2018 endete das Bündnis mit Björn Höcke.
Zerbrochene Machtachse: 2018 endete das Bündnis mit Björn Höcke. DPA

Das Haus: ein stattliches Anwesen auf einem Rittergut. Die Armbanduhr: von der Luxusmarke Vacheron Constantin. Der Fraktionschef André Poggenburg weiß zu leben. Und legt Wert auf glänzende Auftritte: Das jungenhafte Lachen ist mit dem fulminanten Wahlerfolg 2016 zum Markenzeichen geworden.

So oft wie möglich lässt der unbestrittene AfD-Boss aus Sachsen-Anhalt öffentlich die Zähne blitzen. Kein Wunder: Nirgends zog die radikale Partei so stark ins Parlament ein wie in Magdeburg. 24,3 Prozent. Ein Oppositionsführer, der vor lauter Kraft kaum durch die Tür kommt - Poggenburg verbindet dies mit freundlicher Lockerheit. Und eben etwas Luxus.

Es folgte der Absturz - und jetzt der endgültige Abgang. Denn vor allem mit seinen öffentlichen Auftritten hat es sich Poggenburg bis heute mit fast allen AfD-Mitgliedern verscherzt, die ihn 2016 noch als unangefochtenen Chef sahen. „André“ wurde gemocht, ihm habe die AfD viel zu verdanken, sagten sie damals.

Doch immer wieder passierte auch das: Im NS-Ton schwärmt Poggenburg von der „Volksgemeinschaft“. Oder er beschimpft linke Studenten als „Wucherungen am deutschen Volkskörper“. Auch in diesen Momenten huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Das Maß ist endgültig voll, als er in einer Aschermittwochsrede Türken in Deutschland als „Kümmelhändler“ und „Kameltreiber“ schmäht. Er muss als Landes- und Fraktionschef gehen. André Allmächtig, entmachtet über Nacht. Er hat es wohl nie verwunden.

Mitstreiter aus Sachsen ziehen bei Andre Poggenburg mit

Nun könnte Poggenburg wieder zum Denker und Lenker werden. Allerdings im kleineren Rahmen. Am Donnerstag erklärte er in einer kurzen E-Mail nach Berlin seinen AfD-Austritt, sein neues Projekt heißt „Aufbruch deutscher Patrioten“.

Die freigeschaltete Facebook-Seite nennt ihn als Vorsitzenden. Seit Wochen sammelt er unzufriedene AfD-Getreue ein. Einige neue Weggefährten sind bereits bekannt: Etwa Egbert Ermer und Benjamin Przybylla aus Sachsen. Gegen Przybylla lief zuletzt ein Parteiausschlussverfahren, weil er bei einer Demo der rechtsextremistischen Bewegung „Pro Chemnitz“ auftrat. Das passt: Denn dass Poggenburg die AfD mittlerweile zu lasch ist, hatte er unmissverständlich klar gemacht.

Sein Vorwurf: Aus Angst vor der Verfassungsschutz-Beobachtung rücke sie nach links. Noch am Mittwoch beschwerte sich Poggenburg, dass die AfD-Führung angesichts von Angriffen auf Parteikollegen „nichts besseres zu tun“ habe, „als den Stil der Öffentlichkeitsarbeit inflationär über Ordnungsmaßnahmen zu regeln“. Da ging es mal wieder um einen „Volksgemeinschafts“-Tweet Poggenburgs im Nazi-Stil. Die AfD-Spitze einigte sich auf eine Ämtersperre für den 43-Jährigen.

In einer Erklärung am Freitag stellte Poggenburg klar, der „Aufbruch deutscher Patrioten“ sehe die AfD nicht als politischen Gegner an. Vielmehr solle der AdP „ergänzen“, was die AfD nicht leiste. Wünschenswert sei eine Zusammenarbeit. Zugleich soll es in der neuen Partei laut Poggenburg „keine Distanzierungshysterie“ gegenüber Bürgerinitiativen geben. Damit dürfte in erster Linie das fremdenfeindliche Pegida-Bündnis aus Dresden gemeint sein. Poggenburg war in der Vergangenheit mehrfach mit dessen Chef Lutz Bachmann aufgetreten - und hatte das Ende des Auftrittsverbots für AfD-Mitglieder bei Pegida im März 2018 als „Meilenstein“ gefeiert. Auch zu anderen Köpfen am ganz rechten Rand pflegt Poggenburg seit längerem Kontakt, etwa zum Chefredakteur der äußerst rechten Zeitschrift Compact, Jürgen Elsässer. Poggenburg sagte am Freitag, der AdP solle zunächst nicht an Kommunal- und Eurowahlen teilnehmen - an den Landtagswahlen im Osten hingegen schon.  (mz/js)

Lästige Parteiführungen werden dem Mann aus Stößen im Burgenlandkreis nun vorerst nicht mehr im Weg stehen. Und in welche Richtung es für die „Patrioten“ gehen wird, deutet sich an: Im Logo der Partei ist die Kornblume zu sehen - das frühere Erkennungszeichen der österreichischen Nationalsozialisten. Spärlich hingegen ist der bisher einsehbare Terminplan der neuen Partei. Am Mittwoch ist im sächsischen Cotta ein „Neujahrsempfang“ geplant.

Wie viele AfD-Abtrünnige werden Poggenburg an den ganz rechten Rand folgen?

Offen ist derzeit, wie viele AfD-Abtrünnige Poggenburg an den ganz rechten Rand folgen. Aus Sachsen-Anhalt wohl so gut wie niemand. Von höchstens einer Handvoll Getreuer aus dem Land ist die Rede in der Partei, darunter keine bekannten Amts- und Mandatsträger. „Ich glaube nicht, dass das eine große Bewegung wird“, sagt AfD-Fraktionschef Oliver Kirchner am Freitag. „Bei der letzten Veranstaltung dieses Kreises in Cotta kamen gerade mal 15 bis 20 Leute.“ Er gehe davon aus, dass Poggenburg bereits für eine der drei anstehenden Landtagswahlen im Herbst - Sachsen, Brandenburg oder Thüringen - als Spitzenkandidat antreten wird. Unter bisherigen Landtagskollegen ist jedenfalls eine gewisse Erleichterung eingetreten, dass der frühere Chef die AfD verlässt.

Persönliche Enttäuschungen: Auch dieses Kapitel ist entscheidend in Poggenburgs politischer Biografie. Der glänzende Wahlkämpfer, der bis 2017 sogar im Bundesvorstand saß, stieß nach dem Landtagseinzug reihenweise Kollegen vor den Kopf. Im anfänglichen Tohuwabohu - und dem Kampf um Führungsposten, Mitarbeiter, Kompetenzen in der neuen Fraktion - bemängelten erste Abgeordnete schnell, dass Poggenburg keinerlei Führungsstärke zeigte. Eine Sekretärin schmiss hin mit dem Hinweis auf „katastrophale“ Arbeit und „fehlende Professionalität einiger Akteure“ im Vorstand. Andere Abgeordnete unkten: „Nach der Wahl war der Dienstwagen erstmal das wichtigste.“ Heute lachen frühere Kollegen trocken, wenn Poggenburg sich als „Nationalkonservativer“ bezeichnet. Sein „unsteter Lebenswandel“ hätte wenig mit einem Konservativen zu tun. Einst war er mit der Tochter des AfD-Abgeordneten Mario Lehmann liiert. Als sie einen Azubi-Vertrag in der Fraktion bekam, sorgte das für Empörung. Der Ärger über Poggenburg-Filz verhinderte auch, dass er 2017 erneut in den Bundesvorstand gewählt wurde.

Ex-Kollegen fordern Mandatsabgabe von Poggenburg

Da half es auch nicht, dass er mit Björn Höcke, dem rechtsradikalen AfD-Chef in Thüringen, jahrelang eine mächtige Achse im sogenannten „Flügel“ bildete. Beide Landeschefs pflegten in ihren Reden Anleihen an den Nationalsozialismus - doch während sich Höcke gern staatsmännisch zu inszenieren versucht, wurde Poggenburg das Unbekümmerte-Jungen-Image nicht los. Das Bündnis zerbrach 2018. Einige Flügel-Leute berichten, Höcke habe Poggenburg das Vertrauen entzogen.

Mit seinem Abgang tut es Poggenburg nun ironischerweise einer Parteifreundin gleich, die er zu AfD-Zeiten geradezu hasste: Auch Frauke Petry gründete nach ihrem Austritt eine neue Partei. Originalton Poggenburg damals: „Nachdem nun Frauke Petry die Partei verlassen hat, wäre es schlicht eine Selbstverständlichkeit, auch das gewonnene Mandat abzugeben. Alles andere ist übler Wählerbetrug und weitere Schädigung des Ansehens der Partei.“ An diese Mahnung erinnern Poggenburgs Ex-Kollegen nun erneut. „Ich fordere, dass auch André Poggenburg sein Landtagsmandat abgibt“, so Fraktionschef Kirchner. Am Dienstag soll über seinen Ausschluss aus der Fraktion beraten werden - bei der Stimmungslage dürfte dies nur eine Formalie sein. Auch den Posten in der Enquete-Kommission zum Linksextremismus wird er nach dem Willen Kirchners verlieren.

Damit wird Poggenburg bereits rechnen. Denn wie Frauke Petry hat er seine Neugründung rechts der alten Partei offenbar von langer Hand geplant. Das zeigt ein Detail im Internet: Die neue Website des „Aufbruch deutscher Patrioten“ wurde zuletzt am 3. Oktober bearbeitet. Am Tag der Deutschen Einheit. Damals trat er noch als Kämpfer für die AfD auf - ohne Wenn und Aber. (mz)