Streit um Schüler-Tickets 9-Euro-Ticket: Müssen Hartz-IV-Bezieher in Sachsen-Anhalt Geld zurückzahlen?
Das 9-Euro-Ticket sollte eigentlich einkommensschwache Familien entlasten. Doch Jobcenter könnten nun Leistungen von Hartz IV-Empfängern zurückfordern. Ist das tatsächlich so – und wie geht Sachsen-Anhalt damit um?

Magdeburg/DUR/mad - Die Einführung des 9-Euro-Tickets sollte gerade ärmere Familien in Deutschland entlasten. Die gesunkenen Ausgaben für Fahrtkosten in den drei Monaten Juni, Juli und August sollten finanziellen Spielraum für andere wichtige Ausgaben schaffen. Doch wie sich herausstellt, werden Hartz IV-Bezieher in vielen Fällen gar nicht profitieren können. Denn Jobcenter können nun Geld von Hartz IV-Familien zurückfordern, da sich die Leistungen an den tatsächlichen Ausgaben orientieren und sich die Fahrtkosten durch das 9-Euro-Ticket verringern.
So übernehmen die Jobcenter einiger Bundesländer die Kosten für die Schülermonatskarten. Da diese jetzt durch das 9-Euro-Ticket billiger werden, kann die Differenz vom Amt zurückgefordert werden, berichtet das Online-Portal Hartz-IV.org. Der Einbehalt dieser Differenz könne als „ungerechtfertigte Bereicherung“ bewertet werden und wie in Baden-Württemberg eingefordert werden.
Ein Beispiel: Eine Monatskarte für Schulkinder kostet in Erfurt zum Beispiel 42,20 Euro. Die Kosten dafür werden vom Jobcenter übernommen. Durch das 9-Euro-Ticket ergibt sich pro Monat eine Differenz (im Erfurter Beispiel von 33,20 Euro), die zurückgefordert werden kann. Die einzelnen Bundesländer werden das jedoch unterschiedlich handhaben.
9-Euro-Ticket: Unterschiedliche Regelungen verunsichern Familien mit Hartz IV-Bezug
Demnach habe Baden-Württemberg angekündigt, dass die Jobcenter bereits für die Zeit ab Juni die Leistungsgewährung nach dem SGB II entsprechend anpassen oder im Nachgang die bisherige Leistungsbewilligung teilweise widerrufen werde.
Thüringen, Bayern und Niedersachsen wollen ebenso vorgehen. Niedersachsen betont jedoch, dass die Verwaltungspraxis vor Ort entscheidend sei. Also stehe es dem Jobcenter frei, ob die Familie den Differenzbetrag behalten könne oder zurückzahlen müsse.
Hartz-IV-Bedürftige in Schleswig-Holstein bekommen zwar einen offiziellen Änderungsbescheid, auf eine Rückforderung werde aber wohl verzichtet. Das Land berufe sich auf § 40 des SGB II. Eine Rückforderung entfalle, da es sich um Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket handeln würde. Die Bundesländer Brandenburg, Hessen und Sachsen-Anhalt wollen dies ähnlich handhaben.
9-Euro-Ticket und Hartz IV-Bezug: Rückforderungen in Sachsen-Anhalt nur beim Arbeitsweg
Sachsen-Anhalts Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit in Magdeburg antwortet dazu auf Nachfrage unserer Redaktion: „Das 9-Euro-Ticket hat keine Auswirkungen auf die Regelbedarfe der Leistungsberechtigten. Es kann aber bei Leistungsberechtigten, die (Erwerbs-)Einkommen erzielen, Auswirkungen auf die als Werbungskosten abzusetzenden Fahrkosten haben.“
Bei der Berücksichtigung von Einkommen werden die dafür notwendigen Ausgaben abgesetzt. Bei Erwerbseinkommen wird ein pauschaler Grundabsatzbetrag von mindestens 100 Euro abgesetzt. Darin enthalten sei ein Betrag für Versicherungen in Höhe von 30 Euro. Sofern die Fahrkosten dann höher als 70 Euro seien und das Einkommen über 400 Euro liege, könnten diese höheren Aufwendungen im Einzelfall geltend gemacht werden.
Nur sofern bislang tatsächlich Fahrkosten von mehr als 70 Euro geltend gemacht worden seien, kann es aufgrund des 9-Euro-Tickets dazu kommen, dass der Absetzbetrag im Einzelfall auf 100 Euro sinke.
Sachsen-Anhalt plant keine Rückforderungen von Kindern von Hartz-IV-Empfängern wegen 9-Euro-Ticket
Mit der geringeren Absetzung sei gleichzeitig ein höheres zu berücksichtigendes Einkommen verbunden, was im Ergebnis zu einem geringeren Leistungsanspruch führen würde.
Dies gelte aber nur dann, wenn die Nutzung des ÖPNV für den Arbeitsweg möglich und zumutbar sei. "Die Anzahl der Fälle, in denen sich das 9-Euro-Ticket daher überhaupt auf den Leistungsbezug auswirkt, werden daher gering sein", so das Ministerium weiter.
Insgesamt führe es aber selbst in diesen Fällen zu einer Verbesserung der Leistungsberechtigten: Denn es werden 100 Euro abgesetzt, obgleich in der Summe aus der Versicherungspauschale (30 Euro) und 9 Euro Fahrkosten nur 39 Euro abzusetzen wären. Den Leistungsberechtigten würden in solchen Fällen deshalb durch die Nutzung des 9-Euro-Tickes tatsächlich 61 Euro monatlich mehr zur Verfügung stehen."
"Im Bereich der Bildungs- und Teilhabeleistungen ist in Sachsen-Anhalt mit keinen Rückforderungen zu rechnen", so die Antwort des Ministeriums in Magdeburg.