Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Schüler wehren sich gegen Privatisierung der Schulküche
Schulpforta/ddp. - Sie und ihre sieben Kollegenvon der Küche der renommierten Landesschule Pforta verpflegen dieknapp 300 Jugendlichen nicht einfach nur mit drei Mahlzeiten täglich.Wenn einer von ihnen zu wenig isst oder gar magersüchtig ist, merktes das aufgeweckte Küchenpersonal sofort. Schindler ist manchmal auchdie «Kummerkastentante» für die Jugendlichen. Mit dieser Idyllekönnte es allerdings bald vorbei sein, denn die Landesregierung inMagdeburg erwägt aus Kostengründen eine Privatisierung derSchulküche. Aus Protest dagegen haben sich Schüler und Lehrer ineinem offenen Brief an das Kultus- und das Finanzministerium gewandt.
Schülersprecher Maximilian Bracke ist einer der Initiatoren desdemokratischen Schüler-Aufbegehrens, das auch von Lehrern unterstütztwird. «Wenn es zur Privatisierung kommt, würde das die ganze Schuleberühren», befürchtet Küchenleiter Karl-Heinz Dokter. Tatsächlichscheint hinter den altehrwürdigen Mauern des Schulkomplexes einZusammenhalt zu herrschen, wie er heute selten zu finden ist. EinGrund dafür dürfte sein, dass die Schüler der oftmals als Eliteschulebezeichneten Bildungseinrichtung ohne Ausnahme im Internat leben unddadurch früh lernen, ihr Leben selbst zu organisieren, aufeinandereinzugehen und sich durchzusetzen.
«Das ist hier so eine eigene kleine Welt», bringt BerndWestermeyer, der Rektor des Internatsgymnasiums, die Sache auf denPunkt. Umgeben von den idyllischen Weinbergen des AnbaugebietesSaale-Unstrut, leben und lernen die Schüler der 9. bis 12. Klasserelativ autark von der hektischen Außenwelt an einem Ort mit großerHistorie: Die Landesschule Pforta wurde bereits 1543 vom KurfürstenMoritz von Sachsen in einem Zisterzienserkloster gegründet undbrachte so berühmte Köpfe wie den Dichter Friedrich GottliebKlopstock sowie die Philosophen Friedrich Nietzsche und JohannGottlieb Fichte hervor.
Nach einer bestandenen Aufnahmeprüfung - jedes Jahr gibt eswesentlich mehr Bewerber als freie Plätze - bekommen die allesamtbegabten und leistungsstarken Schüler hier neben dem üblichengymnasialen Lehrstoff eine fundierte Ausbildung in denSchwerpunktzweigen Naturwissenschaften, Musik und Sprachen. Pro Jahrkommen Westermeyer zufolge etwa 30 000 Touristen aus dem In- undAusland nach Schulpforta, um die einzigartige Atmosphäre deshistorischen Schulkomplexes zu spüren. «Die Schule ist einAushängeschild für das Land Sachsen-Anhalt», sagt der Rektor.
Die etwa 50 Lehrer der außergewöhnlichen Bildungseinrichtungbetreuten die Schüler traditionell auch im Internat, wo der Tag fürdie Jugendlichen um 7.30 Uhr beginnt und erst abends endet. «Es istschon ein sehr intensives Leben hier», weiß der Rektor. Umsowichtiger dürfte es für die Schüler sein, einen Ansprechpartner inihrer direkten Umgebung zu haben. Beispielsweise in der Küche. Wirdsie privatisiert, könnte neben der menschlichen Atmosphäre auch dieQualität des Essens darunter leiden. Das befürchten zumindest dieSchüler, die auch um liebgewonnene Schultraditionen wie dasMartini-Gänse-Essen oder die Versorgung der Gäste bangen.
Kathrain Graubaum, die Sprecherin des sachsen-anhaltischenKultusministeriums, versucht diese Bedenken zu zerstreuen. EineKüchenprivatisierung um jeden Preis werde es nicht geben, stellt sieklar. Noch stehe nicht einmal ein Termin für die Ausschreibung fest.Allerdings habe eine Wirtschaftsprüfung ergeben, dass sich einsolcher Schritt für das Land schon nach drei Jahren finanziellrentieren würde. Der neue Betreiber habe einige Auflagen zu erfüllen.So müsse er das Küchenpersonal übernehmen, die Speisen täglich frischvor Ort zubereiten und weiterhin zwei Essen zur Auswahl anbieten.«Minister Olbertz berücksichtigt bei der Entscheidung auch Traditionund pädagogisches Konzept der Landesschule», sagt Graubaum. Feststehe aber, dass sich in der personell äußerst dünn besetzten Kücheetwas tun muss.
Mögliche Übernahmeinteressenten dürften es allerdings mit derSchülerschaft vor Ort nicht leicht haben. Schon jetzt kündigt Brackeden Protest an: «Bei einer Besichtigung werden wir ihnen klar machen,dass wir dagegen sind.»