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Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Gefängnisse brauchen Geld - nur woher?

Von Hendrik Kranert-Rydzy 02.11.2011, 20:40

Magdeburg/MZ. - In Sachsen-Anhalt steht der Strafvollzug vor einer ungewissen Zukunft. Bislang hat das Land im Doppelhaushalt 2012/13 keinen einzigen Euro für die Neugestaltung der Sicherungsverwahrung eingestellt, obwohl bis Juni 2013 die Unterbringung von zu Sicherungsverwahrung verurteilten Straftätern nach Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesgerichtshofs komplett neu geregelt werden muss. Gleichzeitig wird beim allgemeinen Strafvollzug, der im kommenden Jahr gesetzlich neu gestaltet werden muss, mit höheren Kosten und einem Mangel an Therapeuten gerechnet.

Justizministerin Angela Kolb (SPD) hatte im Rechtsausschuss des Landtages eingeräumt, noch keine Berechnungen für die Kosten der Sicherungsverwahrung vorlegen zu können. "So lange nicht klar ist, welche Standards der Bund fordert, können wir auch nichts berechnen", sagte Kolbs Sprecherin Ute Albersmann. Darüber sei man sich mit Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) einig.

Die Opposition hält dies für vorgeschoben. Andere Bundesländer hätten zumindest annäherungsweise Kosten berechnet, Kolb schiebe das Problem vor sich her, sagte die Rechtspolitische Sprecherin der Linken im Landtag, Eva von Angern. Das Ministerium wies den Vorwurf zurück, Angaben zu möglichen Ausgaben seien schlicht noch zu ungenau.

Einig sind sich Kolb und der Landtag jedoch darin, dass die Neuregelung der Sicherungsverwahrung und des Strafvollzugs deutlich mehr als heute kosten wird. "Wenn man künftig Straftäter von Anfang an in der Haft therapieren will, dann wird das mehr kosten", so Albersmann.

Von Angern befürchtet, dass die zu erwartenden Kostenexplosion bei der Sicherungsverwahrung zu Lasten der Therapie im allgemeinen Strafvollzug gehen wird. Albersmann bestätigte dies indirekt: "Wir werden im kommenden Jahr im Landtag darüber reden müssen, was sich das Land im Strafvollzug leisten kann und leisten will." Bereits jetzt sei klar, dass das Geld dafür nicht aus dem laufenden Etat des Justizministeriums kommen könne, sondern Finanzminister Bullerjahn aus dem Gesamthaushalt eine Schippe drauf legen müsse.

Nach Ansicht des SPD-Rechtsexperten Ronald Brachmann gibt es nicht nur Finanzierungsprobleme. Ungeklärt sei auch die Frage, wo die zusätzlichen Therapeuten herkommen sollen. "Alle, die ich in Deutschland kennengelernt habe, habe ich später in der Schweiz wiedergetroffen." Dort habe man offenbar das Problem frühzeitig erkannt und mit finanziellen Anreizen mehr Therapeuten für den Strafvollzug anstellen können.

Im Justizministerium laufen unterdessen die Planungen für den Umbau der Gefängnisstruktur im Land, im Januar will Ministerin Kolb das neue Konzept vorlegen. Mindestens eine Einrichtung - sehr wahrscheinlich Naumburg - soll geschlossen und das Gros der Gefangenen im neuen Gefängnis in Burg konzentriert werden. Dort sind bislang die derzeit 19 Sicherungsverwahrten untergebracht, die künftig voraussichtlich in ein noch zu sanierendes bisheriges Hafthaus in Halle verlegt werden sollen. Das Land rechnet künftig mit mehr als 30 Sicherungsverwahrten, die neben Sachsen-Anhalt auch aus Thüringen und Sachsen kommen.

Blick durch einen Zaun auf ein Gebäude der Justizvollzugsanstalt (JVA) Madel in Burg (Kreis Jerichower Land).
Blick durch einen Zaun auf ein Gebäude der Justizvollzugsanstalt (JVA) Madel in Burg (Kreis Jerichower Land).
dpa-Zentralbild