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Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Die Spuren im Netz

Von ANTONIE STÄDTER 08.03.2009, 18:25

Sangerhausen/MZ. - Einige Wochen darauf kam eine Rechnung über 150 Euro, erzählt sie - später eine Mahnung. Sie hatte nicht bemerkt, dass die Informationen, die sie genutzt hatte, kostenpflichtig angeboten wurden. "Das gab natürlich Ärger zu Hause", sagt Sabine. Der Vorfall ist fünf Jahre her, doch er hat ihren Umgang mit dem Medium Internet bis heute geprägt. Zwar sei sie wie die meisten ihrer Freunde bei dem Online-Netzwerk SchülerVZ angemeldet, doch dort verwende sie nur einen Fantasie-Namen - niemals ihren echten.

So vorsichtig sind längst nicht alle Jugendlichen, wenn es um Datenschutz im Internet geht. Und so bekommt mancher im Rechtskunde-Kurs der zwölften Klassen am Sangerhäuser Geschwister-Scholl-Gymnasium auch einen kleinen Schreck, als Anke Westerkamp vom Landesverwaltungsamt darüber spricht, welche Folgen das haben kann. "Es braucht nur wenige Klicks und irgendwer kann sich Fotos von euch auf seinen Rechner ziehen", sagt die Datenschutz-Referentin aus dem Justitiariat des Amtes. "Viele Dinge kann man auch noch nach Jahren im Internet finden." So könnte sich etwa ein potentieller Arbeitgeber für solche Informationen interessieren. Schließlich informiere sich auch mancher Personalchef im Netz über Job-Kandidaten. Da komme es nicht unbedingt gut an, wenn der Bewerber dort Bilder von sich beim feucht-fröhlichen Feiern hinterlassen hat.

Es ist eine Unterrichtsstunde der besonderen Art, die Westerkamp und eine Kollegin an diesem Nachmittag halten: Sie wollen einen Einblick in ihre Arbeit geben, wie es seit Anfang des Schuljahres etliche Fachleute aus verschiedenen Bereichen des Verwaltungsamtes an den Schulen des Landes tun. Westerkamp erzählt, was es mit dem Bundesdatenschutzgesetz auf sich hat, klärt über die Rechte jedes Einzelnen auf und bringt die jungen Leute zum Staunen, als sie von dem sechsstelligen Betrag spricht, den ein Unternehmen wegen Verstößen hatte zahlen müssen. Als Aufsichtsbehörde ist das Amt für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich zuständig. "Durch den technischen Fortschritt ist das Gefährdungspotential dort sehr hoch", so Westerkamp. Beispiele seien jene sozialen Plattformen im Internet, in denen meist private Dinge ausgetauscht werden. Obwohl es bei vielen Anbietern Verschlüsselungsfunktionen gibt, werden diese oft nicht genutzt. "Da wird nach der Devise verfahren: Das macht doch jeder so", sagt sie.

Schulen in der Pflicht

Der Datenschutz-Experte vom Bundesverband Informationswirtschaft, Kai Kuhlmann, stimmt dem zu: "Einerseits haben junge Leute häufig ein offeneres Verständnis von Privatheit als ältere. Andererseits ist ihnen jedoch oft nicht bewusst, dass Daten, die einmal im Netz sind, dort auch erst einmal bleiben." Deshalb müssten Jugendliche noch stärker für dieses Thema sensibilisiert werden - "damit sie sich genau überlegen, was sie ins Internet stellen". Er sieht die Schulen in der Pflicht: "Unter dem Stichwort Medienkompetenz müsste noch viel mehr passieren, als es derzeit an den meisten Schulen der Fall ist", so Kuhlmann.

Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa hatte erst kürzlich ergeben, dass junge Menschen zunehmend Details aus ihrem Privatleben in sozialen Online-Netzwerken wie Facebook oder SchülerVZ preisgeben. Demnach veröffentlichen rund zwei Drittel der 14- bis 29-Jährigen Bilder und Texte über sich im Internet.

"Besonders bei Fotos sind die Nutzer oft sehr gedankenlos", sagt Medienwissenschaftler Sascha Trültzsch von der Universität Halle, der mit einer Kollegin an einem Forschungsprojekt zum Thema "Öffentliche Privatheit" arbeitet. So werden diese oft nicht gesperrt - "selbst dann nicht, wenn das übrige Profil nur eingeschränkt sichtbar ist". Auch erklärten sich die Netzwerk-Mitglieder oft Gruppen zugehörig, die sich selbst offenbarten. So gibt es etwa eine große Zahl von witzig gemeinten Gruppen zum Thema Alkohol. Die heißen dann zum Beispiel "Ich glüh härter vor, als du Party machst" oder "Wir trinken Bier nur an Tagen, die mit 'g' enden. Und Mittwochs."

Steckbrief gelöscht

Auch in dem Rechtskunde-Kurs in Sangerhausen gibt es kaum einen Schüler, der nicht bei einem Internet-Netzwerk angemeldet ist. "Ich nehme das nicht so ernst, was ich dort schreibe", sagt Romy Walther, 18. Sorgen macht sie sich nicht: Sie habe ihre Ausbildung bereits in der Tasche. Ihren Freunden im Internet Nachrichten und Bilder zukommen zu lassen, möchte sie zudem auf keinen Fall missen. "Ich werde demnächst sicher wachsamer sein", sagt hingegen ihre Mitschülerin Lisa Cunert. Und Laura Berge erzählt, dass sie persönliche Daten bereits aus ihrem Steckbrief im Netz gelöscht habe, weil sie bald Bewerbungen schreiben müsse.

Es hat längst zur Pause geklingelt, doch die Abiturienten wollen von den Expertinnen des Amtes noch viel mehr darüber wissen, wie man möglichst wenig Spuren im Netz hinterlässt. Es wird eine Fortsetzung der Unterrichtsstunde geben, wird einhellig beschlossen. Denn, so sagen die Schüler: "Wenn man das aus der Praxis hört, dann wird vieles klarer."