Sachsen-Anhalt 2002 Sachsen-Anhalt 2002: Jahrhundertflut rollt durch das Land
Magdeburg/dpa. - Der Scheitel der Jahrhundertflut hat sich am Dienstag durch Sachsen-Anhalt gewälzt. In pausenlosem Einsatz versuchten tausende Helfer überall im Land, aufgeweichte Deiche zu sichern oder weggebrochene Schutzwälle zu reparieren. Insgesamt wurden seit vergangener Woche ungezählte Ortschaften und Ortsteile mit 60 000 Menschen evakuiert. Vielen Bürgern drohte noch die Räumung. Am Elbe-Umflutkanal östlich von Magdeburg brach ein Deich. In der Nacht hatte die Hochwasserwelle der Elbe mit einem Scheitel von 6,70 Meter früher und niedriger als erwartet Magdeburg passiert. «Dennoch gibt es keine Entwarnung», sagte eine Sprecherin der Stadt.
Zwar gab es in Magdeburg zunächst keine Massenevakuierungen. In bedrohten Stadtteilen vor allem am Ostufer hatten viele Menschen ohnehin freiwillig ihre Wohnungen verlassen, denn die Lage ist weiter kritisch. Auf den Deichen lastet immenser Druck, es bestehe aber keine akute Bruchgefahr, sagte Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) am Abend. Am Dienstag lag der Pegelstand um 17.00 Uhr bei 6,57 Meter, bis zum Sonntag sollte er auf 6,05 Meter sinken. Zu normalen Zeiten liegt der Wasserstand in Magdeburg bei etwa zwei Metern.
Nach einem Deichbruch am Elbe-Umflutkanal bei Heyrothsberge östlich von Magdeburg gaben die Einsatzkräfte am Nachmittag die Arbeiten an diesem Schutzwall auf. Wegen akuter Überflutungsgefahr müssten jetzt auch Teile der Ortschaft Biederitz evakuiert werden. Hunderte Bewohner von Gübs, Klein-Gübs sowie aus Teilen von Königsborn, Menz, Wahlitz und Heyrothsberge wurden in Sicherheit gebracht. Momentan erhöhen die Einsatzkräfte einen anderen Damm, um das Ausmaß der Überschwemmungen in Grenzen zu halten.
Durch den 21 Kilometer langen Umflutkanal wird seit Öffnung des Pretziener Wehrs vergangene Woche ein Teil des Elbe-Hochwassers östlich um die Landeshauptstadt herum geleitet. Nördlich von Magdeburg fließt das Wasser wieder in die Elbe zurück. Ohne Wehr und Kanal stünde Magdeburg, das zuletzt 1954 teilweise überflutet war, vermutlich längst unter Wasser.
Kritisch war die Lage im Ohrekreis nördlich von Magdeburg, wo die Gefahr von Deichbrüchen nicht gebannt war. Deswegen wurde die Evakuierung von Glindenberg, Heinrichsberg und Teilen Wolmirstedts aufrechterhalten.
Zum Schutz der Stadt Wittenberge (Brandenburg) vor der Flut sollte am Abend das Wehr Neuwerben bei Havelberg (Sachsen-Anhalt) geöffnet werden. Teile der Wassermassen der Elbe würden so in die Havel abgeleitet, teilte der Landkreis Stendal mit. Dadurch könne es zu Überflutungen einiger Ortschaften in der Havelniederung wie Jederitz, Kümmernitz, Warnau und Rehberg kommen. Die Bürger müssten sich auf eine Evakuierung einstellen, hieß es.
Trotz sinkender Pegelstände an Mulde und Elbe blieb auch in der Bauhausstadt Dessau der Katastrophenalarm bestehen. Die Deiche hielten zwar, vorerst aber bleibe die Evakuierung für die Ortsteile Waldersee, Mildensee, Wasserstadt und Sollnitz bestehen. Der Vorort Waldersee, in dem 2800 Menschen leben, war am Vortag zum Sperrgebiet erklärt worden. Bewohner hatten immer wieder versucht, in den Ort zurückzugelangen. Der nahe Dessau gelegene Wörlitzer Park, der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörte, galt am Dienstag erneut als gefährdet.
Bei Roßlau (Landkreis Anhalt-Zerbst) nördlich von Dessau wurde ein 30 Jahre alter Mann aus Brandeburg vermisst. Er sei an Bord eines Schubbootes gewesen, dass wegen des Elbe-Hochwassers im Industriehafen Roßlau vor Anker gegangen sei, teilte die Polizei in Dessau mit. Ob das Verschwinden mit dem Hochwasser in Zusammenhang steht, blieb zunächst unklar.