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Goethe-Theater Bad Lauchstädt Zelt über dem Kulturtempel

Restauratorinnen hielten die Sanierung der Leinendecke für unmöglich. Zwei Kollegen haben in den vergangen Monaten das Gegenteil bewiesen.

21.04.2021, 14:15
Theaterchef René Schmidt betrachtet den neuen Zelthimmel seines Hauses. Im August soll der frisch sanierte Innenraum wieder Publikum empfangen.
Theaterchef René Schmidt betrachtet den neuen Zelthimmel seines Hauses. Im August soll der frisch sanierte Innenraum wieder Publikum empfangen. Fotos: R. Briest

Bad Lauchstädt - Wenn René Schmidt von der „dunkelsten Stunde “ der Sanierung der historischen Kuranlagen spricht, dann will das schon etwas heißen. Schließlich war die 2015 begonnene und mittlerweile über elf Millionen Euro teure Generalüberholung des Lauchstädter Ensembles nicht frei von Rückschlägen, wie etwa den Giftstofffunden unter dem Theaterdach. Der Geschäftsführer datiert den Tiefpunkt allerdings in den vergangenen August. Damals hätten zwei Restauratorinnen nach der Voruntersuchung des Innenraums der aus dem Jahr 1907 stammenden Zeltdecke attestiert, sie sei nicht zu restaurieren. Entweder man lasse sie so, wie sie ist, oder es drohe der Komplettverlust.

Schmidt kann das mittlerweile als Anekdote erzählen, denn am Dienstagmorgen darf er die Irrtümlichkeit der damaligen Einschätzung präsentieren - in Form der frisch sanierten und gestalteten Zeltdecke. Sie ist das Herzstück der Neuinterpretation des Innenraums. Doch während Galerie, Pfeiler und Wände noch hinter dem saalfüllenden Gerüst verborgen sind, ist der Blick auf den neuen Himmel des Theaters frei, der wiederum selbst einen Abendhimmel imitiert, der durch die Lücken eines scheinbar von kräftigen Seilen gehaltenen Zeltes hindurchlugt.

„Der Zustand ließ nicht erkennen, was man dem Gewebe noch zumuten kann.“

Kreiert haben ihn die Restauratoren Uta Matauschek und Dietrich Richter. Die Dresdenerin war im Spätsommer eigentlich nur im Theater, um die im Zuge der Restaurationsvorbereitung entdeckten Völker-Wandbilder links und rechts der Bühne wieder herzustellen. Doch anders als ihre Kolleginnen sah sie die Chance, auch die Zeltdecke zu erhalten. Ein einfaches Unterfangen war es allerdings nicht, wie sie schildert: „Der Zustand ließ nicht erkennen, was man dem Gewebe noch zumuten kann.“

Der Innenraum des Theaters war im Laufe des 20. Jahrhunderts immer wieder umgestaltet worden, zuletzt 1968. Dabei kam eine Farbschicht nach der anderen auf den Leinenstoff. Der zeigte Risse, hinzu kamen Wasserflecken durch undichte Stellen im Dach. Die Aufgabe war daher zunächst, die alte Farbe von der Decke zu bekommen: „Eine richtige Drecksarbeit“, wie Matauschek resümiert. Mit Hilfe von Wasserdampf ließen sie die Farbe anquellen, um sie abzutragen. Anschließend grundierten sie die Decke mit Warmleim, um gemeinsam mit einer Malerfirma die neue Farbe aufzutragen.

Für die Neugestaltung begaben sich die Restauratoren, die das Gesamtkonzept für die Innenraumgestaltung verantworten, tief in die Geschichte. Schon im Herbst hatten sich Theater und Denkmalschutz verständigt, keine der Interpretationen des 20. Jahrhunderts zu rekonstruieren, sondern den Originalzustand von 1802. Für den zeichnete neben Architekt Heinrich Gentz vor allem Goethe selbst verantwortlich.

Sanierung soll im kommenden Frühjahr abgeschlossen sein

„Er hat sehr viel beigetragen“, erörtert Richter am Dienstag den Geldgebern von Land und Saalesparkasse. So ist schon die Form des Theaters eine Reminiszenz an einen Lieblingsort des Dichterfürsten, den Tempel der Sybille bei Rom. Dessen runde Form sei für das Theater zweigeteilt worden, einen Halbkreis bilde die Bühne, den anderen das gegenüberliegende Ende des Zuschauerraums, erklärt Richter. Auch das scheinbar hochgebundene Zeltdach habe römische Vorbilder. So habe das Kolosseum über ein solches Velarium verfügt.

Dessen malerische Umsetzung in Lauchstädt soll das Publikum erstmals am Vorabend des Goethe-Geburtstags am 27. August zu Gesicht bekommen. Dann weht ihnen auch frischer Wind um die Nase. Wie Schmidt ankündigt, erhält das Theater, gefördert vom Bund, eine neue Filteranlage, welche die Luft sechs Mal pro Stunde austauschen kann. Sorgen bereitet Schmidt derzeit noch, wo er den dafür notwendigen 1,80 Meter hohen Turm vor dem Theater unterbringt. Aber in der Gesamtschau der Sanierung, die im kommenden Frühjahr abgeschlossen sein soll, ist das eher eine Petitesse. (mz/Robert Briest)