Die Lichtspiele beginnen Wie Kinobetreiber im Saalekreis auf den heutigen Neustart schauen
Nach acht Monaten Zwangspause will die Branche am 1. Juli wieder durchstarten. Die Kinobetreiber blicken angesichts vieler Neustarts optimistisch auf den Sommer.

Merseburg/MZ - Zwei Mitarbeiter ziehen durch die Reihen der grau-roten Sessel. Sie kleben Schilder auf: „Ich muss frei bleiben“. Doch nicht alle Sitze im Saal des Merseburger Domstadtkinos erhalten so einen Sperrvermerk. Gut ein Drittel bleibt frei. Genügend, um Betreiber Ulrich Jacobi optimistisch auf den anstehenden Neustart blicken zu lassen: „Das heißt ja nicht, dass 70 Prozent Zuschauer fehlen. 100 Prozent Auslastung haben wir eigentlich nie.“ Aufgabe sei jetzt erstmal, die verfügbaren Plätze zu füllen.
Und diese Aufgabe startet am Donnerstag. Die Branche hat sich weitestgehend auf den 1. Juli als Stichtag für ihre Rückkehr nach acht Monaten Corona-Zwangspause geeinigt. Auch beziehungsweise gerade die Filmverleihe würden da mitziehen, berichtet der Kinochef. „Viele Filme starten jetzt. Anders als im Vorjahr habe ich jetzt die Auswahl, um ein abwechslungsreiches Programm zu gestalten. Wir sind optimistisch, dass die Besucher nach so langer Zeit wieder Lust auf Kino haben.“
Tests nein, Kontaktdaten ja
Die waren im vergangenen Herbst, als die Kinos zwischen erstem und zweitem Lockdown öffnen konnten, rar geworden. Ein schlichter Grund: Es mangelte an neuen Filmen. Viele bereits fertige Produktionen blieben im Schrank der Studios, damit ihr Start nicht in den Pandemiewirren verpuffte. Eine wirtschaftliche Frage für die Verleihe, ein wirtschaftliches Problem für die Lichtspielhäuser. Der Herbst war aus Sicht des Kinobetreibers die schwierigste Phase. Im Lockdown hätten nun dagegen die Hilfen gegriffen. November- und Dezemberhilfe. Überbrückungsgeld III. „Aufgrund der Schließungsphase wird in Deutschland kein Kino unmittelbar schließen müssen“, erklärt Jacobi.
Er und seine Kollegen können nun zum Neustart gleich mit dem diesjährigen Oscargewinner aufwarten: „Nomadland“. „Ein großer Film für anspruchsvolle Besucher“, lobt der Kinochef. Für die Popcornfraktion gibt es das Treffen der Giganten „Godzilla vs. Kong“. „Der hatte in den USA einen großen Erfolg, vielleicht weil den Zuschauern derzeit nach abgedrehten Sachen ist.“ Dazu gesellen sich „Peter Hase“ als Kinderfilm, „A Quiet Place 2“ als Horror und der neue Otto-Walkes-Film „Catweazle“. Mit der Marvel-Verfilmung „Black Widow“ und dem neuen „Bond“ folgen perspektivisch weitere Blockbuster, und zu Jacobis Freude kommt im Sommer und Herbst auch noch eine Reihe deutscher Produktionen auf die Kinoleinwand.
„Am Programm wird es nicht liegen. Das stimmt uns zuversichtlich“
„Am Programm wird es nicht liegen. Das stimmt uns zuversichtlich“, erklärt auch Stephen Dreyer, Theaterleiter des UCI-Kinos in Günthersdorf. Das hat wie die übrigen Filmpaläste der Kette schon zwei Wochen vor dem Rest der Branche den Neustart gewagt. Und obwohl bis zum Sonntag sogar noch die Testpflicht für Besucher galt, ist Dreyer mit den ersten Tagen zufrieden. Die Besucherzahlen lägen zwar noch unter Vorcoronaniveau, aber: „Es sind mehr gekommen als gedacht.“ Und sie hätten auch wie gewohnt Nachos und Popcorn im Kino gekauft.

Tests sind mittlerweile nicht mehr notwendig, dennoch gelten in den Filmtheatern weiterhin einige Vorgaben, wie der Günthersdorfer Theaterleiter berichtet: Das Haus sei mit Hygienestationen ausgestattet, das Personal würde umfangreiche Hygiene- und Reinigungsmaßnahmen durchführen, um sich und die Gäste zu schützen. Außerhalb des Kinosessels müssen zudem medizinische oder FFP-2-Masken getragen werden, und die Kinobetreiber müssen die Kontaktdaten der Besucher aufnehmen. In beiden Häusern im Kreis erfolgt dies entweder bei der Onlinebuchung oder vor Ort per Formular.
Stärker profilieren
Das Domstadtkino installiert dieser Tage noch neue Luftfilter für Foyer und Toiletten. Ohnehin hat Jacobi die Zwangspause genutzt, um einige Renovierungen vorzunehmen. „Auch die Sitze haben wir professionell reinigen lassen.“ Er habe sich in den acht Monaten aber auch Gedanken zum Programm gemacht. „Die Erfahrung aus dem Vorjahr hat gezeigt, dass man mit Sonderveranstaltungen das Publikum erreicht“, sagt der Kinochef. Und sieht keinen Grund, jetzt darauf zu verzichten, nur weil wieder ein größeres Filmangebot zur Verfügung steht. So veranstaltet er nun Ende Juli einen „Goethe-Sommer“ (siehe Kasten), zum Kinostart des Erich-Kästner-Films „Fabian“ soll es ebenfalls ein Rahmenprogramm zum Autor geben.
Es müsse darauf hinauslaufen, dass das Kino als kulturelle Stätte wahrgenommen wird, gibt Jacobi als Devise aus. „Das wird anders als vor Corona. Aber das ist eine Chance.“ Mit Blick auf die Streamingkonkurrenz à la Netflix und Prime sieht er es künftig verstärkt als Aufgabe der Betreiber, ihr Programm stärker zu kuratieren, ihren Kinos Profile zu geben. „Da kann man dann bei mehr Filmen sagen, streamt die ruhig, wir konzentrieren uns auf die Filme, die die große Leinwand brauchen.“
Der Goethe-Sommer im Domstadtkino
Ulrich Jacobi, Betreiber des Domstadtkinos, will künftig stärker auf Veranstaltungen in seinem Haus setzen, die etwa Literatur und Film verbinden. Den Auftakt bildet der „Goethe-Sommer“. Am 23. und 24. Juli gibt es das Programm „Des Pudels Kern oder der Teufel steckt im Detail“. Jacobi, der über Theatererfahrung verfügt, hat es gemeinsam mit der Schauspielerin Suzanne Andres entwickelt: „Es ist eine Mischung aus Spiel, Lesung und Erklärung.“ Faust I und II in 90 Minuten.
In den folgenden Tagen läuft im Domstadtkino dann zunächst zwei Mal der Film „Faust“, bevor am 29. und 30. Juli sowie am 1. August die Defa-Produktion „Wahlverwandtschaften“ folgt. Am 7. August wird zum Abschluss die Oper „Faust“ aus New York gezeigt.
Mehr Infos und Tickets unter: domstadtkino-merseburg.de