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Für Ausbildung gekämpft Wie ein Flüchtling aus Burkina-Faso in Teutschenthal Fuß fasst

Teutschenthal - usforderung - für die Geflüchteten und für die Firmen. Und es gibt noch staatliche Hindernisse.

Von Robert Briest 01.09.2018, 10:01

Josué Congo hat es geschafft. Von der Handwerkskammer hat er an diesem Nachmittag seine Abschlussurkunde bekommen. Er ist jetzt zertifizierter Hochbaufacharbeiter. Bei Schubert-Bau in Teutschenthal hat der Flüchtling aus Burkina-Faso zwei Jahre gelernt, zur Zufriedenheit seines Chefs: „Er ist engagiert, bringt gute schulische Leistungen. Ich bin froh, jemanden zu haben, der will“, lobt Betriebsleiter Eugen Schubert.

Dass Congo überhaupt bei ihm arbeitet, war Zufall. Der heute 29-Jährige spielte in der Fußballmannschaft von Schuberts Sohn. Weil er einen Job suchte, kam man ins Gespräch und Congo 2016 in die Firma.

Flüchtlinge im Saalekreis: Zahlen stimmen Agentur-Chefin optimistischer

So weit wie der junge Mann aus Burkina-Faso ist das Gros der Flüchtlinge im Bereich der Arbeitsagentur Halle noch nicht auf dem Weg zum Arbeitsmarkt. Das liegt vor allem am Faktor Zeit. Denn Congo kam bereits 2012 nach Deutschland, eine Vielzahl der heute hier lebenden Geflüchteten erst 2015/16.

Agenturchefin Petra Bratzke ist daher mit den aktuellen Zahlen zufrieden. Die besagen, dass im Juli von 494 im Saalekreis arbeitslos gemeldeten Geflüchteten 48 in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden konnten. 45 gingen in Ausbildung oder Maßnahmen. „Das sind gute Ergebnisse.“

Man brauche nicht mehr so pessimistisch zu sein, dass die Eingliederung in den Arbeitsmarkt zehn Jahre dauere. „Dennoch brauchen wir viel Zeit und die müssen wir uns auch nehmen.“

Qualifikation der Flüchtlinge geht vor - und die braucht Zeit

Es geht Bratzke vor allem um die Qualifizierung der Geflüchteten. Diejenigen, die jetzt in den ersten Arbeitsmarkt, also in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse wechselten, würden oft eher ungelernte Tätigkeiten in Gastronomie oder Landwirtschaft ausüben. Das ist jedoch nicht das Ziel der Agentur. Sie will die Geflüchteten qualifizieren: „Dafür bauen wir Ketten“, erklärt die Agenturchefin.

Sie meint damit, dass die Bildungsangebote, die die Migranten durchlaufen, aufeinander aufbauen: „Das A und O ist die Sprache. Erst mit B2-Niveau ist eine Ausbildung möglich.“ Teilweise bräuchten die Geflüchteten dafür aber auch noch mehr Allgemeinbildung, müssten Schulabschlüsse nachholen.

Auch Flüchtlinge selbst müssen Geduld haben

Mit Blick auf die 2015 Angekommenen erklärt Bratzke: „2018 gehen sie in Einstiegsqualifikationen, frühestens 2019 beginnen sie eine Ausbildung.“ Und die sei das Ziel, betont die Agenturchefin. Schließlich seien so die Perspektiven besser. Dafür ist jedoch Geduld erforderlich – sowohl in der Gesellschaft als auch bei den Betroffenen selbst. Denn die wollen, wie Bratzke berichtet, natürlich schnell Geld verdienen. Es sei teilweise ein „dickes Brett zu bohren“, sie von einer Ausbildung zu überzeugen.

Deren Bedeutung betont auch Thomas Keindorf, Präsident der Handwerkskammer Halle: „Ohne weitere Qualifizierung und Ausbildung werden nur wenige Flüchtlinge ins Handwerk zu integrieren sein.“ Er zitiert den Chef des deutschen Handwerks: „Unsere Betriebe brauchen Facharbeiter, keine Schubkarren-Schieber.“

Als wichtigste Voraussetzung sieht auch die Kammer die Sprache. Schließlich müssten die neuen Mitarbeiter Anweisungen und Sicherheitshinweise verstehen und im Handwerk auch mit den Kunden kommunizieren.

Congo hat sich selbst Deutsch gebracht

Congo musste sich Deutsch selbst beibringen mit Hilfe von Büchern und Freunden. Er ist nur geduldet, hat nach eigener Aussage keinen Kurs besucht. Durch seinen Job könne er mittlerweile besser Deutsch als die Landsleute, die er kennt, die nicht arbeiten dürften, sich langweilten. „Die wollen arbeiten. Ich kenne manche, die Praktika gemacht haben oder sogar einen Vertrag hatten, aber die Ausländerbehörde hat ihnen das Arbeiten nicht erlaubt“, berichtet der Flüchtling.

Auch er selbst habe Probleme gehabt, auch weil für ihn die Behörde in Salzwedel zuständig ist, er aber im Saalekreis arbeiten wollte. Vor seinem dritten Lehrjahr, in dem er nun eine Vertiefung zum Maurer machen will, habe ihm die Mitarbeiterin gesagt: Sie müsse das nicht genehmigen.

Congos Chef übt Kritik an befristeter Aufenthaltserlaubnis seines Schützlings

Sein Chef lobt in diesem Zusammenhang die Handwerkskammer, die sich für Congo eingesetzt habe. Zugleich kritisiert er, dass die Aufenthaltserlaubnis seines Lehrlings nur solange gelte, wie er bei ihm arbeite: „Das ist doch keine Perspektive. Du kannst doch keine Familie gründen, wenn du nicht weißt, was in einem halben Jahr ist.“

Agenturchefin Bratzke kennt das Problem: Die Arbeitgeber fänden es nicht toll, wenn Unsicherheit besteht, wie lange ihr Mitarbeiter bleiben darf. Auch Keindorf sieht das Thema als Schwierigkeit bei der Integration in den Arbeitsmarkt: „Der Status vieler Zuwanderer ist ungeklärt. Die Bearbeitungszeiten sind dann teilweise sehr lang. Wenn dann jemand eine Ausbildung aufnehmen könnte, schwebt manchmal das Damoklesschwert der Abschiebung über dem Unternehmen.“

Die Handwerkskammer sieht weitere Herausforderungen: das unterschiedliche Bildungsniveau etwa, mit dem die Menschen kämen. Manchen brächten Berufserfahrung mit, andere könnten nicht lesen und schreiben. „Beide sitzen dann im gleichen Deutschkurs“, sagt Keindorf. Hier müsse man vielleicht über ein Verfahren nachdenken, dass nicht nur Sprache, sondern auch die hiesige Arbeitswelt vermittelt.

Betriebe brauchen einen „Kümmerer“

Der Kammerpräsident weißt zudem darauf hin, dass in der Ausbildung von Geflüchteten mehr Betreuung und Kommunikation notwendig sei: „Damit fühlen sich gerade kleinere Betriebe überfordert.“ Es bräuchte aus seiner Sicht einen „Kümmerer“, der den Betrieben Wege abnimmt, Kontakt zu Behörden hält. Diese Notwendigkeit bestätigt auch Bratzke. Sie sieht allerdings nicht ihr Haus in der Pflicht, sondern die Wirtschaft: „Die Unternehmen brauchen Fachkräfte, also müssen sie sich kümmern. “

Apropos Fachkräfte: Dass die Flüchtlinge den Fachkräftemangel beheben können, hält die Agenturchefin für eine Illusion: „Im Vergleich zum benötigten Personal gibt es dafür zu wenig Flüchtlinge.“ Congo würde gern beitragen die Lücke im Handwerk zu verkleinern. Doch selbst wenn er auch noch die Ausbildung zum Maurer meistert, liegt die Entscheidung, ob er dies darf, bei der Ausländerbehörde. (mz)