Job, auch ohne Schulabschluss Wie arbeitslose Jugendliche im Saalekreis eine zweite Chance erhalten
Die Jugendarbeitslosigkeit bereitet dem Jobcenter Sorgen. Viele Betroffene haben weder Schul- noch Berufsabschluss. Doch es gibt Wege, das zu ändern.

Merseburg/MZ - Hoch ragen die Regale auf. Bretter, Schrankwände, Stühle liegen darin für den Betrachter scheinbar chaotisch verteilt. Nur die klobigen Sofateile lagern alle ganz oben, dort wo längst nur noch ein Gabelstapler hinkommt. Den darf Andy Würz mittlerweile fahren. Auch sonst kennt sich der 21-Jährige gut im Lager des Möbelhändlers Roller in Beuna aus. Schließlich nimmt er hier die Neuware an, sucht die Bestellungen zusammen, mit denen die Kunden zur Warenausgabe kommen. Ende des Monats wird Würz seine Ausbildung zum Fachlageristen abschließen – mit guten bis sehr guten Noten.
Faulheit führte zu einem Realschulabschluss mit schlechten Noten
Das war so vor zwei Jahren noch nicht zu erwarten. Damals war der Stöbnitzer ein Fall für das Jobcenter, gehörte zu jener Gruppe, die Geschäftsführer Gert Kuhnert die meisten Sorgen bereitet: der der arbeitslosen Jugendlichen – wobei damit alle bis 24 gemeint sind. Denn ihre Zahl sinkt nicht so schnell, wie die der sonstigen Altersgruppen. Im Juli zählte das Jobcenter des Saalekreises 400 arbeitslose Jugendliche in seiner Betreuung. „52 Prozent davon sind ohne Schulabschluss, 88 Prozent haben keinen Berufsabschluss“, berichtet Kuhnert.
Würz gehört nur bei Letzterem zur Mehrheit. Er hat einen Realschulabschluss – allerdings mit schlechten Noten. „Die Faulheit“, begründet er: „Man hat es einfach nicht als wichtig erachtet. Aus heutiger Sicht wäre es nicht schlecht gewesen sich anzustrengen.“ Nach der Schule folgte die Ausbildung zum Metallbauer. Doch der heute 21-Jährige brach sie nach einem Jahr ab. „Es hat nicht meinen Erwartungen entsprochen.“ Dann folgte eine längere Krankheit. Würz landete beim Jobcenter.
Projekte des Jobcenters gibt arbeitslosen Jugendlichen eine zweite Chance
Das hat mehrere Wege, um Jugendliche, die den Einstieg ins Erwerbsleben nicht schaffen, doch noch auf den Weg zu bringen, meist mit dem Ziel der Ausbildung. Eines davon läuft in Zusammenarbeit mit der Works und heißt BaE, „Berufsausbildung in einer außerbetrieblichen Einrichtung“. Zuständig bei der Works ist dafür Thomas Neßler.
Er bekommt jedes Jahr im August eine Gruppe von acht ausgewählten Jugendlichen – meist mehr Jungs, als Mädels – zugewiesen, teils mit, teils ohne Schulabschluss: Aber der sei nicht so wichtig, sagt der Projektleiter, wichtiger sei die Motivation: „Wir gucken dann, welche Stärken und Schwächen sie haben, zu welchem Betrieb sie passen könnten.“ Das kann in Praktika getestet werden. Dann folgen die Verträge. Meist geht es in Richtung Lager oder Handel, aber auch in die Landwirtschaft wurde schon vermittelt.
Vier bis fünf Mal im Monat Zusatzunterricht bei der Works als Unterstützung
Die Jugendlichen absolvieren dann eine fast normale duale Ausbildung mit zwei Unterschieden: Der Joker sei, dass sie neben der Arbeit im Ausbildungsbetrieb und der Berufsschule auch noch vier bis fünf Mal im Monat Zusatzunterricht bei der Works erhalten. Hier könne auf Fragen und Probleme viel intensiver eingegangen werden, als in der Berufsschule, erklärt Neßler. Es gäbe auch eine sozialpädagogische Beratung, in der Probleme etwa aus dem familiären Umfeld besprochen werden können, die vielleicht bisher eine Ausbildung verhindert haben.
Der Projektleiter selbst ist für die Jugendlichen dabei stets erreichbar, muss auch schon mal intervenieren, wenn er am Sonntagabend eine Whatsapp-Nachricht erhält, dass einer seiner Schützlinge die Ausbildung hinschmeißen will. Der andere Unterschiede ist der Arbeitgeber. Die Jugendlichen sind bei der Works angestellt. Von dieser bekommen sie ihr Geld.
„Es geht darum Jugendlichen einen Einstieg in den Job zu ermöglichen“
Andy Würz hat sich das in Neßlers Augen in den vergangenen beiden Jahren redlich verdient, nicht nur weil er täglich die zwei Stunden Arbeitsweg nach Beuna oder zur Schule nach Leuna zu Fuß und mit Bahn auf sich genommen hat, sondern auch weil er die Zeit genutzt hat seinen Realschulabschluss zu einem Erweiterten aufzupolieren: „Das Projekt ist eine Chance, Defizite der vergangenen Jahre auszugleichen.“
Roller in Beuna beteiligt sich bereits seit zehn Jahren daran: „Es geht darum Jugendlichen einen Einstieg in den Job zu ermöglichen“, begründet Marktleiter Christian Häßelbarth. Zum Teil spiele auch der mittlerweile entstandene Bewerbermangel für Ausbildungen eine Rolle, aber er betont: „Das Projekt ist kein Ersatz für unsere regulären Ausbildungsplätze.“ Auf einen davon wechselt nun im Sommer jedoch Würz. Er absolviert bei Roller gleich noch eine Zusatzausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik. Die Arbeit zwischen den Hochregalen, sie gefällt ihm.