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Tiere als pandemischer Zeitvertreib? Welche Corona-Folgen Tierheime und Hunde-Züchter feststellen

19.04.2021, 06:00

Merseburg/Schkopau - „Dirk“ knutscht gern. Der freundliche Schäferhund-Mischling hat allerdings noch immer kein neues Zuhause gefunden und wohnt aktuell noch im Merseburger Tierschutzzentrum am Werder. Sein Kumpel „Eddi“ hatte dagegen Glück. Ein Pärchen aus Querfurt hat den siebenjährigen Dobermann-Rüden ins Herz geschlossen und ihn mit in die Quernestadt genommen.

Tierheim mahnt: Hunde brauchen Zeit und Betreuung, auch nach der Pandemie

Kommen seit Beginn der Pandemie mehr Leute, die sich für einen Hund aus dem Tierheim interessieren? „Sicherlich, aber wir achten darauf, dass sie sich auch der Verantwortung bewusst sind, die sie für das Tier übernehmen“ sagt Julia Löser vom Tierschutzverein Merseburg-Querfurt. „Denn irgendwann ist die Zeit des Homeoffice vorbei, und der Hund muss allein zu Hause bleiben. Das vergessen manche.“ Doch die meisten Interessenten hätten ein gutes Händchen für die Vierbeiner.

Dann freue sie sich, wenn einer ihrer Schützlinge ein neues Zuhause findet. So wie die einäugige Mischlingsdame Hanni, die gerade von einem Paar aus Naumburg aufgenommen wurde. „Hunde mit einem Handicap sind etwas Besonderes. Sie haben einen besonderen Charakter“, so Löser. Dadurch würden sie schnell das Herz ihrer künftigen Besitzer erreichen.

Züchterin verzeichnet mehr Anfragen seit der Pandemie

Um zu verhindern, dass Tiere nur mal so zum Spaß aufgenommen werden und dann wieder im Heim landen, sobald sie Probleme machen, wird kein Tier sofort mitgegeben. Es gibt Gespräche mit den Interessenten, die den Hund oder die Hündin dann auch mal auf Probe mitnehmen dürfen.

„Auch wir haben deutlich mehr Anfragen seit der Pandemie“, berichtet Elisa Fabian aus Schkopau. Sie züchtet seit 2018 die Hunderasse Akita Inu. „Die Leute denken: Wir haben jetzt Zeit für einen Hund.“ Auf die Frage, wie sie sich die Zeit nach der Pandemie vorstellen, wüssten viele Interessenten jedoch keine Antwort. Die Züchterin bekommt auch immer wieder Anfragen von Personen, die sich im ersten Lockdown einen Hund angeschafft haben und nun ein zweites Tier haben möchten, damit dieser nicht so viel alleine ist.

Gespräche mit Interessenten sollen undurchdachte Tierkäufe in der Pandemie verhindern

Undurchdachte Anfragen fallen bei der Schkopauerin direkt durch. „Ein Hund ist ein riesiger finanzieller und zeitlicher Faktor. Darüber muss man sich im Klaren sein“, betont sie. Wie ernst es den Interessenten mit der Anschaffung eines Hundes ist, findet Elisa Fabian durch mehrere Gespräche heraus. Erst, wenn sie sich sicher ist, dass der Hund gut aufgehoben ist, kommt ein Interessent auf ihre Liste.

Zwei Würfe von zwei verschiedenen Akita-Damen kommen pro Jahr in Schkopau in der Regel zur Welt. Da die Hunderasse in Deutschland recht selten ist, bekommt Fabian Anfragen aus dem gesamten Bundesgebiet, teilweise sogar darüber hinaus. Die nächsten Würfe sind bereits reserviert, es gibt also lange Wartezeiten.

Warnung vor Internetkäufen - Ehrenamtliche Gassigeher

Von Ebay-Käufen rät Fabian ab. Die dort angebotenen Hunde kämen oft aus dem Ausland. Man könne nicht wissen, ob sie gesund sind oder zu früh von der Mutter getrennt wurden. Stattdessen empfiehlt sie die Internetseite des Verbands für das Deutsche Hundewesen (VDH). „Da kann man sich sicher sein, dass die Züchter seriös sind.“ Fabian empfiehlt außerdem, sich das Zuchtbuch des Tieres zeigen zu lassen.

Zurück zum Werder, wo einige Tiere gerade angeleint werden und ihre Freude mit einem Schwanzwedeln zeigen. Der Merseburger Viktor Schmidt (21) und seine Freundin Lydia Hamann (18) aus Dörstewitz sind rausgekommen. So wie Tanja Göcht, die mehrere Male pro Woche vorbeikommt, gehören auch die beiden zu den ehrenamtlichen Gassigehern des Vereins. Das Paar hätte zu gern einen eigenen Hund.

„Hunde machen Arbeit. Man muss sich mit ihnen beschäftigen“

„Aber meine Wohnung ist zu klein“, sagt der 21-Jährige, der Soziale Arbeit studiert und in einem Kinderheim arbeitet. „Da kommen wir eben hier raus und machen uns nützlich“, lächelt seine Freundin, die manchmal auch von ihrem jüngeren Bruder begleitet wird. „Auch die Pfadfinder aus Bad Dürrenberg sind vor kurzem da gewesen, um mit einigen Tieren rauszugehen“, erzählt Julia Löser, die Leiterin des Tierschutzzentrums.

Aktuell leben 27 Hunde im Tierheim am Werder. Unter ihnen Neuzugang „Rocky“ - ein Trennungshund, der gerade die Welt nicht mehr versteht. Oder auch die Rentner „Rosi“, „Paulchen“, „Oskar“ und „Matilda“. Alle würden sich über ein neues Zuhause freuen. Doch Julia Löser, die selbst zwei Hunde hat, warnt: „Hunde machen Arbeit. Man muss sich mit ihnen beschäftigen.“ Und man dürfe nie vergessen. „Auch wir Menschen sind nicht perfekt und stubenrein auf die Welt gekommen.“ (mz/Undine Freyberg)