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Rechtsaußen im Hörsaal Vertreter des radikalen AfD-Flügels: Hans Thomas Tillschneider lehrt an Uni

Von Alexander Schierholz 08.05.2019, 08:42
Der AfD-Landtagsabgeordnete Thomas Tillschneider lehrt nebenberuflich  als Privatdozent an der Universität Bayreuth.
Der AfD-Landtagsabgeordnete Thomas Tillschneider lehrt nebenberuflich  als Privatdozent an der Universität Bayreuth. imago stock&people

Halle (Saale) - Als Islamwissenschaftler hat Hans-Thomas Tillschneider sich im vorigen Jahr an der Universität Bayreuth habilitiert, mit einer Abhandlung über uralte islamische Schriften. Als AfD-Politiker und Landtagsabgeordnete sagt Tillschneider über den Islam Sätze wie diesen: „In Westeuropa kann er sich einnisten, kann seine Parallelgesellschaften bilden, die wie ein Baumpilz am Stamm der deutschen Eiche wuchert.“ Nun kehrt Tillschneider zurück zum akademischen Betrieb: An der Bayreuther Uni ist er im Nebenjob Privatdozent, von Samstag an hält er ein Blockseminar zur Einführung in das islamische Recht.

An der fränkischen Hochschule löst der Ausflug des AfD-Rechtsaußen in die Wissenschaften Nervosität aus. „Das Parteiprogramm der AfD steht unserem Leitbild diametral entgegen“, sagte Uni-Präsident Stefan Leible dem „Nordbayerischen Kurier“, der zuerst über die Lehr-Pläne des AfD-Politikers berichtet hatte. Verbieten lässt sich Tillschneiders Lehrtätigkeit nicht, im Gegenteil: Als Privatdozent, diesen Titel erwarb Tillschneider mit der Habilitation, ist er sogar zur Lehre verpflichtet. So steht es im bayerischen Hochschulgesetz.

Doch wie vertragen sich die Freiheit der Wissenschaft und der Lehrauftrag an einer staatlichen Hochschule mit der Beobachtung durch den Verfassungsschutz? Tillschneider rechnet sich selbst dem „Flügel“ in der AfD zu. Der Inlandsgeheimdienst hat diese nationalistische Strömung als sogenannten Verdachtsfall eingeordnet und beobachtet sie. Dabei können auch nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt werden, etwa die Telefonüberwachung. Es lägen „Anhaltspunkte dafür vor, dass in der Teilorganisation verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt werden“, heißt es in einem Gutachten, das im Januar an die Öffentlichkeit gelangt war.

Tillschneider weist diese Einschätzung als „pure Fantasie“ zurück. Ihm wurde in dem Papier die zweifelhafte Ehre eines eigenen Abschnitts zuteil - neben wenigen anderen AfD-Funktionären. Die Gutachter attestieren ihm darin eine „offenkundige Nähe zur ,Identitären Bewegung’“; auch seien „weitere Berührungspunkte in das neurechte oder auch rechtsextremistische Spektrum festzustellen“.

Darf so jemand an einer Hochschule unterrichten?

„Nach unserem derzeitigen Kenntnisstand kollidieren die politischen Zugehörigkeiten von Dr. Tillschneider juristisch nicht mit der Freiheit der Lehre und Wissenschaft“, teilt die Uni Bayreuth mit. Man habe den Fall „sehr sorgfältig“ geprüft. Demnach könne Tillschneider die Lehrtätigkeit nur untersagt werden, wenn er in seinen Veranstaltungen gegen das Gebot der politischen Neutralität und seine Verpflichtung zur Verfassungstreue verstoße.

Tillschneider beteuert, das werde er nicht tun: „Ich trenne selbstverständlich Wissenschaft und Politik.“ In seinem Blockseminar werde es um Texte von Rechtsgelehrten aus dem 11. Jahrhundert gehen. „Das ist weit weg von der Gegenwart.“ Tillschneider nimmt für sich in Anspruch, „Grundlagenforschung“ zu betreiben. Das klingt harmlos. Doch in Bayreuth sehen sie das nicht so. Ob der AfD-Rechtsaußen dort am Samstag mit Protesten empfangen wird, ist offen. Doch nicht nur Uni-Präsident Leible, auch andere Kollegen haben sich bereits von ihm distanziert: „Jemand, der ganze Personengruppen öffentlich diffamiert und verächtlich macht und daraus ein politisches Programm entwickelt, ist nicht geeignet, selbstständig an der Universität zu lehren“, sagte die Amerikanistin Jeanne Cortiel dem „Nordbayerischen Kurier“.

Berater der islamfeindlichen Leipziger Legida-Bewegung

Tillschneider lässt das kalt. „Das ist deren Problem“, sagt er über seine Kritiker. Er sieht sich als eine Art einsamer Rufer in der Wüste des deutschen Wissenschaftsbetriebes. An den Universitäten will er eine „Hegemonie linken Denkens“ ausgemacht haben. Und beklagt: „Jeder, der davon abweicht, hat mit Konsequenzen zu rechnen.“

Er zum Beispiel: Von 2010 bis 2016 war Tillschneider Akademischer Rat am Lehrstuhl für Islamwissenschaft an der Uni Bayreuth. Und bis Ende 2014 auch Berater der islamfeindlichen Leipziger Legida-Bewegung, die deutlich radikaler auftrat als ihr Dresdner Vorbild. Wegen seines Einsatzes für Legida sei er damals zum „Gespräch“ an der Uni zitiert worden, sagt er, ohne ins Detail zu gehen. Und setzt nach: Seine Lehrtätigkeit in Bayreuth habe auch damit zu tun, „dass ich mich gegen so etwas wehren will“. Es klingt wie eine Kampfansage. (mz)