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Nach Notbremse Schulen und Händler im Saalekreis vor der Schließung

Mit dem neuen Infektionsschutzgesetz ist das kurze Öffnungsintermezzo für Schulen und Händler im Saalekreis vorbei.

23.04.2021, 09:30
Veraltete Botschaften: Die Wochen des Terminshoppings sind für viele Geschäfte vorerst vorbei.
Veraltete Botschaften: Die Wochen des Terminshoppings sind für viele Geschäfte vorerst vorbei. Foto: Robert Briest

Merseburg/Leuna - Dieser Freitag ist der letzte Schultag. Für die Abiturienten im Saalekreis planmäßig. Für die meisten übrigen Schüler dürfte es zumindest der letzte Schultag in der Schule für die kommenden Wochen werden. Denn nächste Woche greift nicht nur die „Bundesnotbremse“, die Schulschließungen ab einer Inzidenz von 165 vorsieht, sondern auch die Landesregel, dass der eingeschränkte Regelbetrieb ab einer anhaltenden Inzidenz über 200 ausgesetzt wird. Beide Kriterien erfüllt der Saalekreis.

Henrik Amende hat deshalb am Donnerstag einen entsprechenden Hinweis auf der Website seiner Gemeinschaftsschule in Zöschen platziert. Organisatorisch ist der Wechsel vom Wechsel- in den Distanzunterricht für den Schulleiter mittlerweile Routine. Schließlich steht Schulschließung Nummer drei bevor. „Logistisch ist das kein Problem, wir haben ein erprobtes Konzept.“ Aufgaben würden auf den Landesserver gestellt, Videounterricht gäbe es aber nicht. „Damit würden wir die Hälfte der Schüler ausschließen, weil ihnen die technischen Voraussetzungen fehlen“, sagt Amende, der die neuerliche Schließung zumindest für seine Schule nicht nachvollziehen kann. „Die bisher getroffenen Maßnahmen sind hier im Saalekreis ausreichend.“

Kritik und Verständnis

Amende macht sich vor allem Sorgen um seine Schüler, wenn der Präsenzunterricht erst nach den Pfingstferien wieder starten sollte. Die Motivation sei durch die Situation der vergangenen Monate ohnehin schon niedrig. „Wir haben hier nicht nur wissbegierige Schüler sitzen, sondern auch einige, die man ständig motivieren muss, damit sie Leistung bringen.“ Das ist aus der Distanz noch schwerer.

Sabine Sadlo, Leiterin der Jahn-Grundschule in Leuna, sieht vor allem die Herausforderung für die Eltern, die nun wieder beim Distanzlernen ihrer Kinder helfen müssen. Die Schließung sehe sie „zweischneidig“: „Wir haben ja nicht nur die Verantwortung für die Schüler, sondern auch für Lehrer und pädagogische Mitarbeiter.“ Die seien zwar schon einmal geimpft, aber das sei kein vollständiger Schutz: Sie verstehe daher, dass wegen der hohen Inzidenz jetzt ein Schnitt gemacht werden müsse, zumal sie an der Jahnschule gegenwärtig auch Infektionen und eine Klasse in Quarantäne hätten.

„Wenn wir eines in den vergangenen 13 Monaten gelernt haben, dann ist das Veränderungsbereitschaft.“

Auf der anderen Seite bedeutet die Schließung aber, dass später erneut Stoff nachgeholt werden muss. Denn, so betont Sadlo, Distanzunterricht sei mit dem in der Schule überhaupt nicht vergleichbar. In den vergangenen Wochen konzentrierte sich der Unterricht deshalb rein auf die Kernfächer Mathe, Deutsch, Sachkunde. „Da haben wir viel aufgeholt“, berichtet die Leiterin und hofft, dass die Schließung nach den Pfingstferien vorbei ist, damit sie eine neuerliche Aufholjagd bis zum Sommer starten können.

Auf eine solche wird in der zweiten Jahreshälfte wohl auch der Einzelhandel hoffen. Vorerst bremst jedoch auch ihn die Novelle des Infektionsschutzgesetzes. Während der Kreis zuletzt auf strengere Regeln im Handel verzichtet hatte, weil er laut Landrat Hartmut Handschak (parteilos) keine Hinweise auf Ansteckungen etwa durch Click&Meet finden konnte, erlaubt der Bund über einer Inzidenz von 150 jenseits der Grundversorgung nur noch die Abholung vorbestellter Waren. Das Terminshopping ist ab einer Inzidenz von 100 nur noch mit Test möglich. Peter Lehnhardt, Chef des „Nova“ in Günthersdorf, nimmt die neuerliche Einschränkung gelassen: „Wenn wir eines in den vergangenen 13 Monaten gelernt haben, dann ist das Veränderungsbereitschaft.“

Click&Meet mit wenig Erfolg

Zur Gelassenheit des Centermanagers dürfte auch beitragen, dass sich die Click&Meet-Möglichkeit nicht als Allheilmittel erwiesen hat. „Am Anfang gab es klassische Bedarfskäufe, neue Kleidung für die Kinder, Ersatz für die kaputte Kaffeemaschine.“ Aber spätestens seit Ostern sei die Nachfrage schwach: „30 Prozent der Mieter, die Click&Meet gestartet hatten, haben es mittlerweile beendet oder die Zeiten eingeschränkt.“ Lehnhardts Wunsch ist daher, dass Impfung und Frühsommer dafür sorgen, dass die Inzidenz so weit sinkt, dass das „Nova“ wieder richtig öffnen könne. Das Worst-Case-Szenario wäre für ihn, dass der Inzidenzwert lange zwischen 100 und 150 liegt. Denn das Beispiel Leipzig zeige, dass Termin- mit Testpflicht dem Handel überhaupt nichts bringe.

Auch Steffen Zierke, Filialleiter des Obi muss sich auf eine neue Situation einstellen und seinen Markt wohl teilweise schließen. Denn während Gartenmärkte im Bundesgesetz der Grundversorgung zugeschlagen werden, sind die Baumärkte außen vor. „Wir gucken, dass wir es mit Absperrbändern und Warenpaletten so gestalten, dass die Kunden keinen Zugang zum Baumarktteil haben“, sagt Zierke, der betont, dass sie schon vor Eröffnung des Marktes baulich viel für den Infektionsschutz getan hätten. Mittlerweile hat man sogar ein eigenes Testangebot geschafften (siehe Spalte): „Wir hatten bei Kontrollen des Ordnungsamtes nie Probleme, sind gelobt worden, auch im Vergleich zu Lebensmittelmärkten.“

Vor einer Teilschließung bewahrt ihn das nun wohl nicht. Zierke rechnet deshalb am Wochenende mit erhöhtem Andrang: „Der Mensch ist ein Herdentier. Die Kunden werden ihren Bedarf in den Tagen, wo wir noch uneingeschränkt auf haben, sicher noch decken.“

Wer kontrolliert die Ausgangssperren?

Mit dem neuen Infektionsschutzgesetz wird es auch im Saalekreis erstmals nächtliche Ausgangssperren geben. Ein Mittel, das der Kreis bisher gescheut hatte, weil er Nutzen und Durchsetzbarkeit in Zweifel zog. Nun wird er zu diesem Schritt wohl verpflichtet.

Für die Kontrolle sind die Ordnungskräfte des Kreises zuständig – in Zusammenarbeit mit der Polizei. Ob diese nun nachts mehr Kräfte einsetzt und die Zahl der Streifen erhöht, um die Ausgangssperre durchzusetzen, ließ Ralf Karlstedt, Sprecher der Polizeiinspektion Halle, auch auf mehrmalige Nachfrage offen. Er sagte lediglich: „Die Polizei unterstützt deren Maßnahmen täglich lageangepasst.“ Der Kreis will am Freitag im Pandemiestab über sein Vorgehen beraten.

Im Bundestag gab es derweil auch aus Reihen der Regierungskoalition Stimmen gegen die „Bundesnotbremse“. So lehnten etwa die beiden für den Saalekreis zuständigen CDU-Abgeordneten Dieter Stier und Torsten Schweiger das Gesetz ab. SPD-Vertreterin Katrin Budde stimmte hingegen zu. (mz/Robert Briest)