Hopfen-Ernte Hopfen-Ernte: Wie Landwirte im Saalekreis von Biertrends aus den USA profitieren

Beesenstedt - Georg Hirschbergers Arbeit ist ein schweißtreibender Job. Viele Landwirte wie er müssen hart arbeiten, doch bei ihm hat es noch einen anderen Grund: Der 51-Jährige muss in eine Sauna klettern, um seine Arbeit machen zu können. Und das ist ein wahres Ungetüm: 30 Meter lang, sieben Meter hoch. An der Innenseite führt eine Holztreppe nach oben. Mit jeder Stufe wird es wärmer, weil heiße Luft zur Decke steigt. Auf der obersten Stufe ist es dort 50 Grad heiß. Nur das Aroma der ätherischen Öle, die in dieser Sauna in der Luft liegen, kann sich Hirschberger nicht aussuchen. Es riecht immer nach Hopfen. Einen Monat lang. Tag und Nacht.
Immer zur Erntezeit läuft Hirschbergers grün lackierte Sauna, die in Wirklichkeit eine riesige Trocknungsmaschine für Hopfen ist. Die grünen Dolden mit einem Wasseranteil von 80 Prozent fahren dort auf einem Fließband hinein - und kommen einige Stunden später mit weniger als elf Prozent Feuchtigkeit wieder heraus. In der Zeit dazwischen müssen sie eine regelrechte Hitze-Tortur über sich ergehen lassen.
Am Anfang des Prozesses fallen die Dolden aus einem Bottich auf ein Fließband, das langsam ins Innere der Maschine fährt. Eine Rolle mit Metallstäben lockert den Hopfen-Teppich kontinuierlich auf, damit die Dolden nicht aneinander kleben bleiben. Ob alles funktioniert, können Hirschberger und seine Angestellten kontrollieren, wenn sie über die Holztreppe auf die Maschine steigen und dort eine Luke öffnen. Und durch Bullaugen sieht der Landwirt, wie weit der Hopfen schon getrocknet ist. Doch bereits das kann schweißtreibend sein. Denn immer wenn der 51-Jährige das runde Fenster öffnet, strömt ihm heiße Luft entgegen, die schläfrig macht. Kein Wunder: Hopfen gehört zur Familie der Hanfgewächse und hat eine beruhigende Wirkung.
Hirschberger ist den Geruch mittlerweile gewohnt. Dafür ist er schon lange genug im Geschäft. Der Landwirt ist in der bayrischen Hallertau, Deutschlands größtem Anbaugebiet, in einem Hopfenbetrieb aufgewachsen. Nach einem Landwirtschaftsstudium zog er 1992 nach Sachsen-Anhalt und begann in Beesenstedt im Saalekreis mit seinem eigenen Betrieb.
Erntezeit läuft bis zu vier Wochen
„Für die Ernte von allen sieben Sorten, die ich anbaue, haben wir ein Zeitfenster von drei bis vier Wochen“, sagt Hirschberger in seinem urbayrischen Dialekt, den er bis heute beibehalten hat. Auf das Wetter kann er keine Rücksicht nehmen. „Wenn man einmal mit der Ernte anfängt, muss man das auch durchziehen“, sagt er. „Wir ernten so lange, wie die Traktoren durch den Acker kommen.“ Die Traktoren werden von zumeist polnischen Arbeitern gefahren. Vier Festangestellte bezahlt Hirschberger, dazu noch ein paar Saisonarbeiter.
Alles beginnt im Frühjahr, wenn die Hopfenpflanzen durch die Erde schießen. Säen muss Hirschberger nicht, die Pflanzen kommen jedes Jahr neu. Dafür hat er an andere Dinge zu denken. Zum richtigen Zeitpunkt müssen Hirschbergers Angestellte die Pflanze „anleiten“. Das bedeutet, dass sie von etwa 40 Trieben die drei kräftigsten an einen langen Draht binden, der wiederum an einem dickeren Draht in 7,50 Meter Höhe hängt. Wie Straßenbahnoberleitungen sind die Drähte rechtwinklig zwischen Betonmasten aufgehängt „Der Hopfen wächst dann rechts herum, immer mit der Sonne“, sagt Hirschberger. An manchen Sommertagen schafft die Pflanze immerhin bis zu 20 Zentimeter in 24 Stunden.
Mindestens so aufwendig wie die Aufzucht ist die Ernte der Hopfenpflanzen auf dem Feld. Der Traktor-Fahrer muss mit seiner Erntemaschine die herunterhängenden Stränge genau treffen. Dann geraten sie mitsamt dem Draht in ein Schneidwerk und werden kurz oberhalb des Bodens abgetrennt. Um die Hopfenpflanze auch vom dauerhaft gespannten Draht in 7,50 Höhe zu lösen, ist Fingerspitzengefühl gefragt: Während die Pflanze noch am Draht hängt, manövriert der Traktor-Fahrer seinen Anhänger unter sie und gibt weiter Gas. Genau im richtigen Moment reißt der Draht mit einem Knall aus seiner Verankerung und fällt mitsamt dem Hopfen auf den Anhänger.
Ist der Hänger voll, lädt der Arbeiter die Hopfen-Lianen in einer Halle ab. Dort werden sie in eine Maschine eingespannt, die wie eine Waschanlage aussieht. Doch statt Bürsten dreht sich Metall rechts und links der Hopfenpflanze und reißt die Dolden ab, die dann später in Hirschbergers Sauna, also der Trocknungsmaschine landen.
So viele Arbeitsschritte der Hopfenanbau auch fordert, er lohnt sich für die rund 30 mitteldeutschen Betriebe, die im Hopfenpflanzerverband Elbe-Saale zusammengeschlossen sind. Das Anbaugebiet, das Teile von Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen umfasst, ist deutschlandweit das zweitgrößte - gleich hinter der bekannten Hallertau in Bayern, Hirschbergers alter Heimat.
Neue Biere, neue Geschäfte
Derzeit laufen die Geschäfte sehr gut. Die Hopfenbauern profitieren von der sogenannten Craftbeer-Bewegung. Craftbeer ist Bier, das in kleineren Mengen oft von kleinen Betrieben und in unkonventionellen Geschmacksrichtungen gebraut wird. „Die Craftbeer-Szene braucht zehn Mal mehr Hopfen als für gewöhnliches Bier benötigt wird“, sagt Emil Berthold, Vorsitzender des Hopfenpflanzerverbands Elbe-Saale. Das führe insbesondere in den USA, in denen das Craftbeer seinen Ursprung hat, zu einem steigenden Hopfenbedarf. Davon profitierten auch die deutschen Hopfenbauer, die ein Drittel der Weltproduktion abdecken.
Den Bauern in Mitteldeutschland hilft dabei ein Trend: Eine Hopfensorte aus Tschechien - „Saazer“ - wird immer beliebter. Und mit deren Anbau stechen sie sogar den Primus Hallertau aus, denn dort wächst Saazer einfach nicht so gut wie in Mitteldeutschland. „Diese Sorte wächst im Elbe-Saale-Gebiet neuerdings, geht in der Hallertau aber nicht so gut, weil die Sonneneinstrahlung dort zu stark ist“, sagt Berthold. In diesem Punkt ist Mitteldeutschland dem Bierland Bayern also weit voraus.
Dabei bedeuten steigende Preise für Hopfenbauern nicht automatisch mehr Geld im Portemonnaie. Denn die Ernte verkaufen sie an die großen Handelsfirmen oft mehrere Jahre im Voraus. „Etwa 80 Prozent sind im Voraus verkauft, rund 20 Prozent landen auf dem Freihopfenmarkt“, so Berthold. Macht der Bauer seine Verträge vor einer Preissteigerung, kann er von den höheren Preisen nicht profitieren.
Zu welchem Preis Georg Hirschberger seinen Hopfen auch verkauft, vorher müssen die getrockneten Dolden in der Verpackungs-Halle in rechteckige Pakete gepresst werden. Genau 65 Kilogramm hat jeder Quader. Georg Hirschberger sticht mit einem Gerät, das die Feuchtigkeit misst, in das ein oder andere hinein. Unter elf Prozent Feuchtigkeit sollte der Hopfen haben, so mögen es die Händler am liebsten. Mit der aktuellen Ernte ist der 51-Jährige zufrieden. Was er machen wird, wenn all der Stress in ein paar Wochen endlich vorbei ist? Vielleicht die Füße hochlegen - aber sicher nicht in der Sauna. (mz)