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„Viele Zettel gehören bei uns der Vergangenheit an“ Handwerksbetrieb in Löbejün investiert in die Digitalsierung - mit Erfolg

Der Fachbetrieb für Heizung, Klima und Sanitär der Familie Tittel wird in der dritten Generation geführt.

26.04.2021, 08:30
Willi und Susanne Tittel führen die Firma Tittel aus Löbejün.
Willi und Susanne Tittel führen die Firma Tittel aus Löbejün. Foto: Silvio Kison

Löbejün - Wenn ein Familienunternehmen 75 Jahre alt wird, ist das ein Grund zum Feiern. Auch die Tittel GmbH in Löbejün, ein Fachbetrieb für Heizung, Klima und Sanitär, hätte in diesem Frühjahr gern dieses Firmenjubiläum begangen. Doch Corona machte einen Strich durch die Rechnung. Susann und Willi Tittel, die das Unternehmen in dritter Generation führen, finden das schade. Sie hat den kaufmännischen Bereich unter sich, er den technischen.

Viel in die Digitalisierung investiert: „Viele Zettel gehören bei uns der Vergangenheit an“

Mitgesellschafter ist auch Bruder Paul, der allerdings in einem anderen Betrieb tätig ist. Als EDV-Experte unterstützt er jedoch auch den Familienbetrieb und hat in den vergangenen Jahren die Digitalisierung mit vorangetrieben.

Wir verstehen uns als moderner Handwerksbetrieb und haben deshalb viel in die Digitalisierung investiert, sowohl in Hard- als auch in Software

Willi Tittel, Inhaber.

Alles werde mittlerweile digital abgewickelt. Auch auf den Baustellen arbeite man beispielsweise bei der Arbeitszeiterfassung oder bei Terminabsprachen mit Tablets. Jede Rechnung, jeder Stundenzettel seien integriert. Allerdings habe man hart daran gearbeitet, die Software so zu verändern, dass sie genau auf den Betrieb passt. Dabei sei Bruder Paul eine große Hilfe gewesen. „Lange Telefongespräche und viele Zettel gehören bei uns der Vergangenheit an“, ergänzt Susann Tittel.

Enteignung in der DDR und Wiederaufbau in Löbejün

Vor 75 Jahren sah das natürlich ganz anders aus. 1946 gründete Paul Tittel, der Großvater von Susann, Willi und Paul, eine Klempnerei in Reideburg, die vor allem Blechklempnerei und Sanitärinstallationen anbot. Schnell wuchs der Betrieb auf zehn Mitarbeiter. 1959 begann dann in der DDR eine Enteignungswelle für Betriebe mit mehr als zehn Beschäftigten. „Das betraf auch unseren Großvater“, so Susann Tittel.

Eher widerwillig habe er sich der PGH (Produktionsgenossenschaft des Handwerks) Süd angeschlossen. Er habe jedoch immer nach einer Möglichkeit gesucht, wieder selbstständig zu werden, blickt die 48-Jährige in die Firmengeschichte. „Die fand er 1962 in Löbejün, wo es damals keine Klempnerei gab.“ So habe der Großvater in der Ortsmitte eine Fahrradgeschäft mit Werkstatt übernommen und es zu einer Klempnerei umgebaut.

Handwerksbetrieb in dritter Generation

Mit einer Ausnahmegenehmigung durfte der Klempnermeister wieder mit drei Angestellte tätig sein. Nach dem plötzlichen Tod Paul Tittels im Herbst 1975 wurde sein Sohn Manfred Tittel der Geschäftsführer. Der heute 75-Jährige hat die Geschäfte zwar vor fünf Jahren an seine Kinder weitergegeben, aber er hat nach wie vor einen Schreibtisch in der Firma. „Er kommt oft her, schon wegen der sozialen Kontakte. Er kümmert sich beispielsweise auch ums Werkzeug“, sagt Willi Tittel. Zudem sei er noch stellvertretender Obermeister der Sanitär-Heizung-Klima-Innung Halle Saalkreis.

Bis zur Wende arbeitete Manfred Tittel mit drei Gesellen. Da nach 1990 die Nachfrage nach neuer Heizungstechnik riesig war, wuchs auch die Firma Tittel rasant. Bald beschäftigte sie 30 Mitarbeiter. 1994 wechselte man von der innerörtlichen Lage an ein neu errichtetes Betriebsgebäude auf einem Grundstück am Stadtrand Löbejüns.

Manfred Tittel: ein Foto aus früheren Jahren
Manfred Tittel: ein Foto aus früheren Jahren
RepRos: kison

Mit 21 Jahren jüngster Meister - Firma sucht Verstärkung

Fünf Jahre später stieg auch Tochter Susann in die Geschäftsführung ein. „Als unser Vater plötzlich gesundheitliche Probleme bekam und wir nicht wussten, was kommt, habe ich dann Verantwortung übernommen. Nach meiner Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Sanitär Heizung und Klima, habe ich nahtlos innerhalb eines Jahres den Meister gemacht und war mit 21 Jahren damals der jüngste Meister in meinem Fach“, erklärt der heute 30-jährige Willi Tittel. Der Generationswechsel war dann im Jahr 2016 zum 70. Firmenjubiläum und 70. Geburtstag von Manfred Tittel vollständig vollzogen.

Die Geschwister sind mit Herz und Seele im Familienunternehmen tätig und können sich etwas anderes gar nicht vorstellen. In den letzten Jahren haben sie das Firmengebäude saniert, eine neue Bad-Ausstellung installiert und die Digitalisierung auf den Weg gebracht. Auch das Lager soll umgebaut werden.

Die Auftragsbücher seien bis in das Jahr 2022 hinein voll, sagen die Tittels. Gegenwärtig hat die Firma 25 Mitarbeiter. „Aber wir suchen händeringend weiterhin nach Verstärkung“, betont Willi Tittel. Gegenwärtig habe der Betrieb, der immer ausgebildet hat, drei Auszubildende. „Viele lockt es aber anschließend in die Industrie.“ Dort gebe es Bedingungen, die ein mittelständischer Handwerksbetrieb leider nicht bieten könne. (mz/Claudia Crodel)