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Goethe-Theater Goethe-Theater: Saison beginnt mit Mozarts "Entführung"

Von joachim lange 29.08.2016, 10:06
Auf den Knien seines Herzens: Belmonte (Roberto Ortiz) vor Konstanze (Stephanie Elliott)
Auf den Knien seines Herzens: Belmonte (Roberto Ortiz) vor Konstanze (Stephanie Elliott) l’arte del mondo

Bad Lauchstädt - Die Liebhaber des Goethe-Theaters wissen, auf was sie sich einlassen, wenn sie Ende August trotz akutem Hochsommers nach Bad Lauchstädt pilgern. Sie mögen dieses Bayreuth-Flair en miniature. Klimatisch hält Goethes Theaterbau mit Wagners Großscheune mit. Was die (Un-)Bequemlichkeit der Sitze betrifft, ist der Wettbewerb offen. Immerhin dauern die Stücke, die Theaterleiter René Schmidt in sein Haus holt, nicht so lange wie die Wagners.

Und dann ist es einfach schön: Die Straße ist endlich fertig, der Kurpark hat als Hochzeitskulisse gerade Hochkonjunktur. Die Logistik für die schrittweise Generalüberholung erlaubt Einblicke ins Mauerwerk und am Vorbau schon einen Ausblick. Die Sache geht voran - die Saison kann beginnen.

Singspiel frönt der Türkenmode

Und zwar mit einer „Entführung aus dem Serail“, die in Regie und Bühnenbild von Igor Folwill so daherkommt wie zu der Zeit, als Mozart damit der Türkenmode frönte. Als Mozart mit dem Singspiel über den Entführungsversuch englischer Geiseln aus türkischer Haft 1782 in Wien der Durchbruch gelang, lag die zweite Belagerung Wiens durch die Türken gerade 100 Jahre zurück. Für ambitionierte Regisseure ist das die Steilvorlage für eine „Kulturkampf“-Story.

Andererseits muss man szenisch gar nicht kalauern nach dem Motto: immer Ärger mit den Türken. Wenn ein klassischer Bilderbuch-Osmin (Rúni Brattaberg) mit brummigem Bass, einem riesigen Turban und Erdogan-kompatiblen Gewaltfantasien den türkischen Buh-Mann gibt, dann denkt sich das Publikum natürlich seinen Teil.

Sicher ist selbst in dem historischen Ambiente Platz für Nuancen der Verunsicherung, die besonders die Frauen Konstanze (frisch: Stephanie Elliott) und Blonde (mitreißend: Maria Klier) erfasst, wenn sie eine europäische Ehekarriere mit den Avancen ihrer osmanischen Verehrer Bassa Selim (Olaf Haye) und Osmin vergleichen.

Zauber der barocken Bühne

Also auf ins Kniebundhosen-, Perücken- und Turban-Kostümfest. Und den Zauber der barocken Bühne mit Mauer- und Garten-Prospekten, Meereswogen und vorbeiziehenden Segelschiffen. Man staunt jedes Mal, wie wenig eine Bühnenillusion eigentlich braucht.

Der Coup dieser Produktion ist aber die Musik. Es ist nicht nur der flotte, transparent historische Klang, den Werner Ehrhardt mit dem fabelhaften Orchester l’arte del mondo aufsteigen lässt, sondern die Mischung mit orientalischen Klängen, die das türkische Pera Ensemble mit Instrumenten wie Ney, Ud und Kanun beisteuert. Eine faszinierende, von Pera-Chef Mehmet C. Yesilçay arrangierte Novität, die den Reiz der Janitscharen-Klänge steigert - und die Anstrengungen, die Roberto Ortiz als Belmonte und Martin Koch als Pedrillo unternehmen, am Ende zu einem lohnenden Ganzen rundet. (mz)