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Friseursalon in vierter Generation Friseursalon in vierter Generation: MZ-Redakteur als Praktikant beim Barbier

Von Michael Bertram 21.07.2019, 06:00
Steffen Franke (l.) betreibt seinen Friseursalon in Günthersdorf bereits in der vierten Generation. Für das Praktikum erklärt er mir, was zu tun ist.
Steffen Franke (l.) betreibt seinen Friseursalon in Günthersdorf bereits in der vierten Generation. Für das Praktikum erklärt er mir, was zu tun ist. Katrin Sieler

Günthersdorf - Eigentlich hatte „Elvis“ noch Glück. Wäre er um das Jahr 1900 herum in das Geschäft der Familie Franke gekommen, hätte ich ihm womöglich nicht nur seinen Schädel blank rasiert, sondern ihm auch noch ein bis zwei Zähne gezogen. „Mein Urgroßvater Emil war Barbier und die haben damals tatsächlich noch diese Dienstleistungen angeboten“, erzählt dessen Nachfahre Steffen Franke, der in Günthersdorf heute in vierter Generation nicht nur einen Friseursalon, sondern auch einen Barbershop führt.

Die sprießen vielerorts gerade wie Pilze aus dem Boden, scheinen zu einem echten Hotspot für Männer geworden zu sein, die nicht nur auf die Gestalt ihrer Frisur, sondern auch auf die ihrer Bärte großen Wert legen.

„Solche Trends gibt es im Friseurhandwerk immer wieder“

„Solche Trends gibt es im Friseurhandwerk immer wieder“, sagt Franke und nennt das Aufkommen der Dauerwelle in den 1930er Jahren oder die Idee, dass man Haaren doch alle möglichen Farben verpassen kann. „Dann hat man sich gedacht, dass bei den Männern 100 Jahre nichts passiert ist und plötzlich kam das Revival der Barbershops.“

Männer- und Frauenbereich sind im Salon Franke räumlich getrennt. „Frauen und Männer haben einfach unterschiedliche Themen, die man gegenseitig auch nicht immer hören muss“, erklärt Franke und lacht. Tatsächlich dreht es sich um US-Autos, Bier und Whisky, während der 48-Jährige seinen nächsten Kunden betreut.

Praktikum beim Barbier: Auch ich darf endlich Hand anlegen

Auch ich darf endlich Hand anlegen. Zum Glück für die Kunden und den Chef nicht an echten Menschen, sondern nur an „Elvis“. Der ist eine Puppe, wirkt aber täuschend echt. Shops für den Friseurfachbedarf wie etwa Hairhaus bieten diese an, um Auszubildende fit für den Job zu machen. Nun soll ich mich ausprobieren.

„Elvis hat keinen Bock mehr auf seinen Hipster-Look“, sagt Franke und drückt mir einen Rasierapparat in die Hand. Nur kurz erklärt er mir, wie ich die Maschine am besten über den Kopf gleiten lasse, um alle Haare zu erwischen, dann lässt er mich einfach mal machen. Im Nu ist die Tolle vom Haupt verschwunden. Da der Kopf aber ganz glatt werden soll, drückt mir Franke eine Schale mit Rasierschaum in die Hand und ein Messer. Weil das eine echt scharfe Klinge hat, demonstriert er mir lieber, wie ich es richtig in der Hand halte.

Spöttische Kommentare kommen auch von einer der fünf Mitarbeiterinnen im Salon

Nachdem ich Elvis mit dem Messer zwei-, dreimal übel in den Kopf gehackt habe, schaut mich Franke mit einem Gesicht an, als hätte ich ihn selbst skalpiert. Spöttische Kommentare kommen auch von einer der fünf Mitarbeiterinnen im Salon, die hinter mir steht und ganz gespannt ist, wie sich der Praktikant so macht.

#bigimgae

Bei der Nachkontrolle merkt Franke an, dass der Kopf doch noch ziemlich stachelt. Er ruft Sarah Erdmenger heran, die mir demonstrieren soll, wie die echten Profis rasieren.

Friseurin bittet mich auf den Stuhl im Barbershop

Die Friseurin bittet mich auf den Stuhl im Barbershop. Für den Laien folgt ein echt ungewöhnliches Programm: Zunächst wird das ganze Gesicht in heiße Kompressen eingepackt. „Damit werden die Haare weich und lassen sich besser entfernen“, erklärt Franke. Die Tücher duften aromatisch. Es gibt aber auch eine Whiskylösung. Dann werden auf den Millimeter genau die Konturen des Bartes rasiert, bevor das Gesicht wieder unter einer Kompresse liegt, die diesmal kalt ist, was die Haut entspannen soll.

Nicht nur für den Kunden ist die Behandlung bequem. Das Klischee, dass der Friseurberuf den Körper kaputtmacht, ist teilweise von gestern. „Es hat sich schon viel getan“, sagt Franke. Scheren haben ergonomische Formen, die Stühle können in jede gewünschte Position hochgepumpt werden - das schont den Rücken. Lange stehen ist aber weiter aktuell. Besondere Voraussetzung braucht es für den Friseurjob nicht. „Man muss halt offen sein, auf Menschen zugehen und mit jeder Art von Kunden umgehen können“, betont Steffen Franke. Den Rest könne man erlernen - „Elvis“ wird es freuen, das zu hören.

Was im Salon von Steffen Franke auffällt, ist die gute Stimmung

Was im Salon von Steffen Franke auffällt, ist die gute Stimmung. Es wird viel erzählt und auch gelacht. „Wir kennen unsere Kunden“, sagt er. Weit mehr als 80 Prozent sind Stammkunden. Der Salon läuft gut, trotz Konkurrenz im nahen Einkaufszentrum. Die Männer kommen übrigens in der Regel ohne Termin.

Der Barbershop im Salon wirkt rustikal, vieles wurde von Franke selbst gebaut. Natürlich darf auch der rot-blau-weiße Barbierstab nicht fehlen, der schon um 1500 ein Erkennungsmerkmal für Barbiere war. Damals führten sie noch chirurgische Eingriffe durch. Verbände wickelten sie um Stäbe. Mal waren die Binden sauber und weiß, mal blutgetränkt. Die US-Amerikaner ergänzten die Stäbe mit Blick auf ihre Nationalflagge um die Farbe blau.

So sehr im Salon Franke Tradition gelebt wird, mit dem 48-Jährigen wird diese wohl auch enden. Denn die beiden Töchter des Chefs haben sich gegen den Friseurberuf entschieden. „Ich bin deshalb nicht traurig oder sauer“, sagt er. Dann sei es halt so. (mz)

Mein Auftrag als Praktikant: Dem „Kunden“ Elvis eine Glatze rasieren.
Mein Auftrag als Praktikant: Dem „Kunden“ Elvis eine Glatze rasieren.
Katrin Sieler
Der Barbierstab darf in den Barbershops nicht fehlen.
Der Barbierstab darf in den Barbershops nicht fehlen.
Katrin Sieler
Um 1901 legte Emil Franke den Grundstein für den Familienbetrieb.
Um 1901 legte Emil Franke den Grundstein für den Familienbetrieb.
Katrin Sieler