Frauenfußball beim ESV Merseburg Frauenfußball beim ESV Merseburg

Merseburg - „Wer einmal hier ist, kommt nicht mehr weg“, sagt Sandra Giesecke. „Das ist wie in einem Gefängnis.“ Die Rede ist von der Frauenfußball-Mannschaft des ESV Merseburg. Giesecke, die eigentlich auf den Namen „Cracho“ hört, weiß, wovon sie spricht. Vor drei Jahren wechselte sie vom SV Merseburg 99 zum ESV. „Das war ein himmelweiter Unterschied. Hier gibt es Leute, die kaum spielen können“, erklärt die 25-Jährige. Denn die Mannschaft leidet an chronischem Personalmangel und braucht daher jede einzelne Spielerin - unabhängig davon, wie es um deren Leistung bestellt ist.
Die Stimmung im Team passt
Den Wechsel zum ESV bereut die Mittelstürmerin trotzdem nicht, denn für sie passt die Stimmung im Team. „Klar, plärren wir uns auch mal an, aber dann trinken wir ein Bier oder einen Sekt und alles ist wieder gut.“ Von einem extremen Zusammenhalt spricht Hannes Lindner, der die Frauen seit fünf Jahren trainiert. „Von neun Spielen in dieser Saison haben wir sechs in Unterzahl gespielt und trotzdem sechs Punkte geholt“, sagt der 28-Jährige, der sein Team auf dem aufsteigenden Ast sieht. „Wir sind noch nicht die Besten, aber uns macht’s Spaß.“
Aus einer Kneipenidee heraus entstanden
Lindner ist es auch zu verdanken, dass die Mannschaft überhaupt zustande gekommen ist. „Die ist im Prinzip aus einer Kneipenidee heraus entstanden“, erzählt der 28-Jährige. „Wir haben überlegt, was andere Vereine besser machen als wir und dann kam die Idee der Frauenmannschaft.“ Kurzerhand wurden Frauen und Töchter von Spielern überredet und ein Team aus 15 Frauen zusammengestellt. Inzwischen besteht die Mannschaft nur noch aus elf Spielerinnen, die zwischen 18 und 51 Jahren alt sind. Wie das Alter so variieren auch die Charaktere im Team. „Darin liegt der Zauber“, sagt Lindner, „herauszufinden, wie alles zueinander passt.“
„Wir brauchen alle Frauen auf dem Platz“
Ein wichtiger Anker im Team ist für Lindner Kapitänin Totti Brandt, die bereits bei Eintracht Frankfurt gespielt hat. „Totti will immer allen helfen und alle Brände stopfen.“ Die 27-Jährige kam vor wenigen Jahren zum Verein. „Damals habe ich von einem Bekannten erfahren, dass noch Leute gesucht werden“, sagt Brandt. Bereits im Kindesalter habe sie in einem Verein spielen wollen, ihre Großmutter allerdings war dagegen. „Sie hat es verboten, weil sie meinte, dass es zu gefährlich sei.“ Mit 17 Jahren konnte Brandt ihren Willen schließlich durchsetzen. Heute kann sich die Kapitänin vorstellen, selbst einmal den Trainerposten zu übernehmen. Doch dazu wird es vorerst nicht kommen. „Wir brauchen alle Frauen auf dem Platz“, erklärt Teamkollegin Sandra „Cracho“ Giesecke. Zudem ist Brandt mit dem Einsatz ihres Trainers zufrieden: „Er macht alles für uns.“
Der Trainer als Hahn im Korb
Für die Frauenmannschaft hat Hannes Lindner sogar die eigene Fußballkarriere hinten an gestellt. Von klein auf stand er selbst für den ESV Merseburg auf dem Rasen. Doch durch die Trainertätigkeit blieb dafür keine Zeit mehr. „Anfangs hätte ich lieber noch selbst gespielt, aber bin ich froh über die Entscheidung.“ Möglicherweise auch, weil die Truppe nicht nur auf dem Spielfeld als Mannschaft funktioniert. Privat trifft sich das Team zum Feiern, schaut sich gemeinsam Spiele an oder fährt zum Shoppen nach Berlin - Lindner als Hahn im Korb immer im Schlepptau.
Männer oder Frauen - wer ist härter im Nehmen?
Bei einer Sache allerdings scheinen der Trainer und seine Spielerinnen uneins. Wenn es darum geht, ob Frauen oder Männer beim Spiel härter im Nehmen sind. „Die Frauen laufen dem Ball lieber hinterher, als einen Kopfball anzunehmen. Aus Angst, die Frisur könnte zerstört werden“, lacht Lindner. „Zumindest sterben wir nicht gleich, wenn wir gefoult werden“, kontert Cracho. „Männer lassen sich da erstmal eine halbe Stunde behandeln.“ Alles Taktik, weiß Lindner aus eigener Erfahrung. (mz)
Mehr Informationen über die Mannschaft über Facebook unter „ESV Merseburg Frauen“ oder über die Internetseite: www.esv-merseburg.de