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In der DDR Mähdrescherfahrerin, heute Firmenchefin Farmtex: Folienhandel für Landwirtschaftsbetriebe gegründet

Von Steffen Höhne 08.03.2019, 10:00
Ines Spanier ist mit dem Verkauf von Folien für Agrarbetriebe erfolgreich. Die Unternehmerin packt im Lager mitunter auch selbst mit an.
Ines Spanier ist mit dem Verkauf von Folien für Agrarbetriebe erfolgreich. Die Unternehmerin packt im Lager mitunter auch selbst mit an. Andreas Stedtler

Petersberg - Wer Ines Spanier besuchen will, muss zunächst einmal über Kisten steigen. Ihr Büro liegt in der obersten Etage eines alten Gutshauses in Petersberg vor den Toren Halles.

Auf dem Flur stapeln sich Kartons mit Folien, daneben steht ein aufgewickelter Wollrasen. „Da haben Sie gleich einen Eindruck, was wir machen“, sagt die Unternehmerin mit einem herzhaften Lachen.

Ihre Firma Farmtex handelt vor allem mit Folien für die Landwirtschaft. Das klingt zunächst vielleicht langweilig. Doch Spanier zeigt, wie man mit Nischenprodukten und einer Online-Strategie daraus ein interessantes Geschäft machen kann.

Farmtex-Gründerin hat zu DDR-Zeiten In der LPG gearbeitet

Spanier hat in der DDR Landwirtschaft studiert und in einer LPG gearbeitet. Damals machte sie auch einen Lkw-Führerschein und fuhr Mähdrescher. „In der Landwirtschaft lernt man, Dinge anzupacken“, sagt sie.

Das tat sie dann auch nach der Wende. Zunächst absolvierte sie noch einmal eine Ausbildung als Exportkauffrau und arbeitete anschließend in einer Stahlbaufirma und bei einem Folien-Hersteller. Mit der Zeit stellte sie fest: „Verkaufen ist mein Ding“, sagt sie. „Ein gutes Produkt besitzen, zum Kunden fahren, verkaufen, fertig.“

Als Vertriebsmitarbeiterin fuhr sie jahrelang quer durch Deutschland und Europa. „Beim Autofahren kommen mir auch immer die besten Ideen“, sagt sie.

Eine davon war, sich selbstständig zu machen. „Ich merkte, dass ich immer mehr meine eigenen Vorstellungen durchsetzen wollte“. Also gründete sie die kleine Firma Farmtex, die unter anderem Siloabdeckfolien und Rundballennetze vertreibt.

„Ich spreche die Sprache der Landwirte, das hilft“, sagt sie. Hat sie in der männerdominierten Branche auch Probleme? „Nein“, sagt sie. „Viele machen vielleicht auch einen Termin mit mir, um zu sehen, welche Frau da kommt.“

Als eine ihrer Stärken sieht sie an, zuhören zu können. „Wenn mir jemand von seinem Urlaub erzählen will, bitteschön.“ Spanier spricht gerade heraus, was sie denkt. Ihre unprätentiöse Art macht sie sympathisch. Selbstbewusst bezeichnet sie sich auch als „Macherin“.

Diese Einstellung hat sie nun auch ins Online-Geschäft geführt. „Wir haben einfach getestet, ob jemand unsere Waren auch über Amazon kauft“, erzählt sie. Vom positiven Ergebnis war sie selbst überrascht.

Daraufhin bewarb sie sich beim Programm „Unternehmerin der Zukunft“ für ein Coaching-Programm. Sie wollte besser verstehen, wie die Online-Welt funktioniert. Das Ergebnis: Farmtex hat sein Sortiment erweitert und bietet nun auch Waren für Privatkunden an. „Hobbygärtner wollen auch gern Profi-Produkte verwenden“, sagt Spanier. So ist im Sortiment nun beispielsweise ein Wollrasen. In der biologisch abbaubaren Wolle sind Grassamen. So ist es möglich, unkompliziert eine Rasenfläche anzulegen.

Aufgrund des Erfolgs wurde sie 2018 in die Amazon-Zentrale nach Seattle eingeladen. Was sie am meisten beeindruckt hat, war die Mentalität, die sie mit den Worten „einfach mal ausprobieren“ umschreibt. Dort würden ständig neue Geschäfte entwickelt, auch wenn vorher feststehe, dass nicht alle erfolgreich sein werden.

Spanier ist bewusst, dass der Konzern Amazon mit Händlerinnen wie ihr seine Marktmacht noch weiter ausbauen will. „Amazon darf für uns immer nur ein Vertriebsweg von mehreren sein“, sagt die Firmenchefin. Die Reichweite des Portals könne sie aber nie allein aufbauen.

Farmtex-Gründerin Ines Spanier will Netzwerke knüpfen

Ihre Erfahrungen gibt Spanier auch im Verband deutscher Unternehmerinnen weiter. Sie führt den Landesverband Sachsen-Anhalt: „Für mich und viele andere Teilnehmerinnen ist das ein wichtiges Netzwerk.“

Es würden in erster Linie Erfahrungen ausgetauscht, aber auch Geschäftskontakte geknüpft. „Unsere Werbeflyer lassen wir nun von einem Mitglied aus dem Verband machen.“ Nach Ansicht von Spanier haben es Frauen in vielen Unternehmen auch deswegen schwer Karriere zu machen, weil sie zu wenige Netzwerke besitzen. Der stärkste Rückhalt für Spanier ist allerdings ihre Familie. „Ohne meinen Mann, der mir auch den Rücken freihält, wäre das alles nicht möglich.“ (mz)