Ellerbach Ellerbach: Das kleine Dorf hinter der Autobahn

Ellerbach - Zwei Wege führen nach Ellerbach. Der eine ist eine schmale asphaltierte Straße, die kurz hinter der Autobahn von der Verbindung Tollwitz-Zöllschen abzweigt, der andere ist ein Abenteuer. Die Straße, die von Schweßwitz im Burgenlandkreis zu dem guten Dutzend Häuser herüberführt, die Ellerbach sind, verdient diesen Namen eigentlich nicht. Kopfsteine liegen hier nebeneinander, jeder in einer anderen Höhe. Eine natürliche Tempo-30-Zone.
Im Ort angekommen zweigt ein Weg nach rechts ab, der sich am Ende um eine Linde windet. Hier im „Dorfzentrum“ wartet Mario Brauer vor seinem Haus – und mit ihm das halbe Dorf. Die Kunde vom Zeitungsbesuch hat sich offenbar rumgesprochen, gut ein Dutzend Ellerbacher, zumeist älteren Jahrgangs, haben sich eingefunden. Schnell entspinnt sich eine Diskussion, wie viele Einwohner man denn nun eigentlich sei. Ein älterer Herr kommt auf 26. „Nee, 28, die dahinten haben Kleinkinder“, entgegnet ein anderer.
Ellerbach ist klein und liegt ab vom Schuss
Die Stadt Bad Dürrenberg, zu der Ellerbach gehört, zählt offiziell 30. Fest steht: Ellerbach ist klein und liegt ab vom Schuss. Einen Laden gibt es hier ebenso wenig, wie einen Handwerker oder eine Bushaltestelle.
„Früher waren hier fast alle bei der LPG“, berichtet Werner Fischer, ein Mann mit dunklem Basecap und grünem Pullover der als Sechsjähriger 1948 mit seinen Eltern ins Dorf kam. Viele hätten zu DDR-Zeiten Schweine gehalten, um noch einen Nebenverdienst zu haben. Heute gäbe es kaum noch Vieh im Ort. Er selbst hat ein paar Kaninchen, Brauer ein paar Hühner. „Die Tierhaltung lohnt sich heute nicht mehr“, begründet Fischer.
Dorfleben heute nicht mehr so ausgeprägt wie früher
Der Dorfrundgang beginnt. Er führt vorbei an einer Backsteinruine, die schon von weiten das Ortsbild prägt. Hier sei mal ein Kuhstall drin gewesen, erzählen die Ellerbacher. Die Besitzer seien schon zu DDR-Zeiten in den Westen gegangen, seither verwildert das Gelände. Im Ort kenne jeder jeden, sagt Fischer, auch wenn das Dorfleben heute nicht mehr so ausgeprägt sei wie früher.
Ein Wort das im Gespräch häufiger fällt. „Heute will jeder eher für sich sein. Als es noch keine Fernseher gab, waren wir als Kinder immer auf der Straße. Wir haben viel im Teich gebadet.“ Der neben ihm laufende Jörg Walbe deutet auf eine Wiese: „Und hier haben wir immer Fußball gespielt. Die Tore haben wir mit ein paar Ästen gebaut.“
In Ellerbach hält kein Schulbus
Der Weg führt über die gute Straße in Richtung Ortsausgang. Hier sind die Ellerbacher früher zum Laden nach Zöllschen gefahren, heute müssen sie weiter – nach Lützen oder Bad Dürrenberg. Die Entfernungen sieht Brauer als Grund, warum kaum jemand ins Dorf zieht. Seine Tochter gehe in Merseburg aufs Gymnasium. Die müsse er jeden Tag zumindest bis Tollwitz fahren, weil in Ellerbach kein Schulbus hält.
Dann ist das Ziel der Sightseeingtour erreicht. Ein von Bäumen umstandener Teich, davor ein Hydrant und eine offene Hütte. „Das ist das Wahrzeichen des Ortes“, erklärt Walbe. Der Teich sei im vergangenen Jahr von der Gemeinde saniert worden. Ansonsten haben die Ellerbacher aber das Gefühl, dass mehr passieren könnte. Vor allem die Straße nach Schweßwitz sollte mal gemacht werden, sagt eine Frau. Brauer kritisiert: „Für die Dörfer haben sie kein Geld, vor allem für uns nicht, weil wir hinter der Autobahn leben.“
Das Dauerrauschen der Autobahn
Die Autobahn. Akustisch ist sie in Ellerbach fast allgegenwärtig. Vom Teich bis zu den im Sekundentakt vorbeiziehenden Lastwagen sind es nur einige hundert Meter flaches Ackerland. „Man nimmt die Autobahn schon ganz schön wahr. Eigentlich sollte ja 2017 eine Schallschutzwand kommen, jetzt heißt es Mitte 2018, mal schauen“, fasst Fischer die Situation zusammen, dann erzählt er eine Anekdote. Schon als er Kind war, mussten sie zur Schule nach Tollwitz. Weil aber der Weg nach Zöllschen eine Schlammpiste gewesen sei, seien sie immer den kurzen Weg über die Autobahn gegangen. „Damals war da aber deutlich weniger Verkehr."
Heute sind auch Fischer und seine Nachbarn auf das Auto angewiesen: „Wir Alten können nur froh sein, dass wir noch Auto fahren können.“ Und wegziehen? Eine Frau in oranger Jacke, die seit ihrer Geburt in Ellerbach lebt, schüttelt den Kopf. Und ihr Mann ergänzt: „Wenn man zufrieden ist, warum soll man wegziehen.“ (mz)

