Eingeschleust und ausgebeutet Eingeschleust und ausgebeutet: So lief die Großrazzia in Braunsbedra ab

Braunsbedra/Halle (Saale) - Der Hubschrauber, der kaum hörbar in 1.200 Metern Höhe über dem Gelände der Schweinemastanlage kreist, liefert mit seiner Wärmebildkamera scharfe Livebilder in die mobile Einsatzzentrale. Auf einem Parkplatz bei Braunsbedra warten 100 Bundespolizisten am Dienstag früh auf den Einsatzbefehl. Es ist ruhig auf dem Betriebsgelände.
„Wir haben die Gegebenheiten tagelang observiert und den Einsatz bis ins kleinste Detail geplant“, sagt der Einsatzleiter. Dann gibt er den Startschuss. Kurz nach 5 Uhr setzt sich die Fahrzeugkolonne in Bewegung. Ohne Blaulicht und ohne Sirenen. Die Bundespolizei setzt bei ihrer Großrazzia auf den Überraschungsmoment.
Zeitgleich durchsuchen 800 Beamte insgesamt 15 Objekte
Es wird einer der größten Bundespolizei-Einsätze in Mitteldeutschland. Zeitgleich durchsuchen 800 Beamte insgesamt 15 Objekte in Arnstadt, Erfurt, Apolda, Ilmenau, Ichtershausen (alles Thüringen) und Braunsbedra. Im Visier haben die Ermittler sieben Beschuldigte, die über zwei Zeitarbeitsfirmen Arbeitskräfte aus Osteuropa im großen Stil ausbeuten sollen. 80 Fälle sind der Bundespolizei bekannt, in denen Arbeiter mit falschen Papieren an Unternehmen der Viehzucht und des fleischverarbeitenden Gewerbes verliehen worden sind.
Zuvor sollen die Personen aus Moldawien und der Ukraine mit manipulierten Ausweisen nach Deutschland geschleust worden sein. „Den Arbeitskräftebedarf gerade in vermeintlich für deutsche Arbeitnehmer unattraktiven Betrieben nutzen die Schleusernetzwerke gezielt aus. Damit geht zum einen ein hoher Schaden für die Sozialkassen sowie für Unternehmen einher, die sich an gesetzliche Bestimmungen halten“, sagt Markus Pfau, Leiter der Kriminalitätsbekämpfung der Bundespolizei aus Halle.
Arbeitnehmer zahlen rund 1.500 Euro, damit sie nach Deutschland geschmuggelt werden
Die Arbeitnehmer zahlen rund 1.500 Euro, damit sie nach Deutschland geschmuggelt werden. Hier wohnen sie zumeist unter unwürdigen Bedingungen. Von ihrem Hungerlohn werden ihnen noch die Kosten für Verpflegung und Unterbringung abgezogen. Für die Drahtzieher ist das ein lukratives Geschäft. Die beiden Hauptverdächtigen, ein Ehepaar aus der Ukraine, nimmt die Bundespolizei am Morgen in Arnstadt fest.
Das festgenommene Ehepaar ist seit Mittwoch wieder auf freiem Fuß. Zwar sei gegen die 39 und 35 Jahre alten Verdächtigen Haftbefehl erlassen worden, sagte ein Sprecher der Bundespolizei am Mittwoch in Pirna. Dieser sei jedoch außer Vollzug gesetzt worden. Der Mann und die Frau müssten sich regelmäßig bei der Polizei melden.
In Braunsbedra haben die Einsatzkräfte weniger Erfolg
In Braunsbedra haben die Einsatzkräfte weniger Erfolg. Etwa 30 Migranten sollen mit gefälschten ID-Cards auf dem Gelände der Schweinezucht wohnen. Erwischt wird aber nur ein Moldawier mit einem gezinkten Pass, der ihn als Rumänen ausweist. Andere illegal Beschäftigte könnten einen Tipp bekommen haben und verschwunden sein, heißt es aus Einsatzkreisen. Da der Betriebsleiter der Anlage Jäger ist und Waffen besitzt, gehen die Beamten vorsichtig und mit professioneller Routine vor. Probleme gibt es nicht.
Unterdessen stellen die Bundespolizisten umfangreiche Dokumente und Technik sicher, die jetzt ausgewertet werden. Das Ziel: Das Netzwerk zu zerschlagen. Den überführten Arbeitnehmern der Zeitarbeitsfirmen, die sich illegal in Thüringen und Sachsen-Anhalt aufhalten, droht indes die Ausweisung. Zuvor werden sie noch am Dienstag intensiv überprüft, um ihre wahren Identitäten zu ermitteln. (mz)

