Moderne Landwirtschaft im Saalekreis Die Rübe, die aus der Pille kam
Im Agrarunternehmen Barnstädt läuft die Aussaat. Große Technik sorgt dafür, dass die zentimetergenau sitzt und keine Verluste entstehen.
Etzdorf/Altweidenbach - Was machen blaue Pillen? Keimen, wachsen und irgendwann große Zuckerrüben sein. Diese Antwort trifft zumindest auf die metallicblauen Kügelchen zu, die in der Box liegen, die Robert Marz gerade geöffnet hat. Er ist Bereichsleiter Pflanzenproduktion beim Agrarbetrieb Barnstädt und damit für Aussaat, Düngung und Bodenbearbeitung auf den 5.500 Hektar der Genossenschaft zuständig. Derzeit ist Saatsaison. Sommergerste und Luzerne sind bereits in der Erde. Vor Ostern startete nun die Rübensaat auf 650 Hektar. Die Ernte von 25 Hektar geht im Herbst zur Zuckerfabrik nach Zeitz, der Rest zu der in Könnern.
Von dort haben Marz’ Kollegen Anfang März auch das Saatgut abgeholt, die bunten Pillen, die eigentlich Saatkörner sind und ihre Farbe durch Beize erhalten, die später den Keimling vor Pilzen schützen soll. „Die Zuckerfabrik hat eine Liste von Sorten, aus denen wir auswählen können, was wir anbauen wollen“, erklärt der Bereichsleiter. Im Regenschatten des Harzes brauche es Rüben, die mit Trockenstress umgehen könnten. Acht Sorten kommen an den verschiedenen Rübenstand-orten des Agrarunternehmens zum Einsatz. „Wir haben immer Hauptsorten und ein paar Versuchssorten. Wenn die sich bewähren, dann nehmen wir ein paar alte raus.“ Denn je älter die Sorten würden, desto anfälliger seien sie oft für Krankheiten.
Auf einen Hektar säen die Landwirte 100.000 Saatkörner. In der Regel werde jedes später auch zur Rübe. „Früher musste man Rüben verziehen und hacken“, blickt Marz zurück. Heute ist das nicht mehr notwendig – und das liegt an der Technik. Der Kasten mit den blauen Körnern, den der Bereichsleiter anfangs geöffnet hat, ist einer von gut zwei Dutzend identischen, die auf einem roten Metallapparat befestigt sind, der an einem Traktor hängt. Eine Einzelkornsämaschine. Eine Metallkufe furcht den Acker ein, über ein Rad fällt aus dem Kasten ein Korn in die Erde, ein weiteres Rad drückt es an und schließt die Furche. Zwei Kollegen von Marz bedienen die Technik, wobei ein Großteil der Arbeit Kontrolle ist. „Sie fahren einmal per Hand die Außenspur des Feldes ab. Dann übernimmt der Traktor per GPS. Er weiß, wo er anfangen hat und aufhören muss, zu drillen“, berichtet der Landwirt. Er kann sich vorstellen, dass die ganze Bodenbearbeitung irgendwann mal voll automatisiert sein könnte. Für wirklich erstrebenswert hält er das aber nicht. „Erde riechen, an der frischen Luft sein, das macht doch den Reiz des Jobs aus.“
Während der Saatzeit darf Marz die Erde auch anfassen. Eine seiner Aufgaben ist die Qualitätskontrolle. Mit dem Zollstock sucht er nach zwei Körnern, kontrolliert, dass sie auch 22,5 Zentimeter Abstand haben und zwei bis drei Zentimeter tief liegen. Dort ist das Erdreich dunkler. „Wir sehen in diesem Jahr etwas Positives. Die Erde ist feucht. Die letzten Jahre haben wir die Pillen in die Asche gelegt.“
In den Trockenjahren 2018 bis 2020 wuchsen auf diesem Feld keine Rüben. Die kommen nur alle fünf Jahre auf eine Fläche. „Der Boden muss sich erstmal für die nächste Rübe erholen.“ Meist stehe im Vorjahr Wintergerste. Was nach der Rübe kommt, variiere. „Meist sind es Weizen oder Mais“, sagt Marz, der damit rechnet, dass die 650 Hektar binnen einer Woche bestellt sind. Seine Mitarbeiter arbeiten in Schichten von 4 bis 14 und 14 bis 24 Uhr. Ab Mitte April, beim Mais, seien es gar Zwölf-Stunden-Schichten.
Sind die Saatkörner in der Erde, kommt Kunstdünger auf das Feld, das im Herbst mit Rindermist bestreut wurde, aber im Frühjahr keine Gülle abbekommen hat. „Irgendwann gucken dann die ersten Rüben raus. Meist ist aber das Unkraut schneller.“ Weil das nicht gewünscht ist, wird das Feld mit Herbiziden behandelt. In diesem Jahr will das Agrarunternehmen auch ein Modellprojekt starten, bei dem auf diese verzichtet und stattdessen das Unkraut mittels Traktor, GPS und großen Hacken entfernt werden soll, damit die Rüben ungestört wachsen können. Wann genau sie geerntet werden, sagt Marz, „hängt davon ab, wann die Zuckerfabriken aufmachen.“ (mz/Robert Briest)