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Die Adler von Rothenburg Die Adler von Rothenburg: Warum die Skispringer hier keinen Schnee gebrauchen können

Von Oliver Müller-Lorey 09.04.2018, 07:28
Angst war beim ersten Sprung schon dabei, sagt Steve Grabrowitsch. Kein Wunder bei der Höhe!
Angst war beim ersten Sprung schon dabei, sagt Steve Grabrowitsch. Kein Wunder bei der Höhe! Holger John

Rothenburg - Im Ski- und Freizeitverein Rothenburg (SFV) sind sie froh, dass der Winter vorbei ist - und der Schnee wohl nicht wiederkommt. Was für einen Wintersportverein merkwürdig klingt, ist nicht die einzige Ungewöhnlichkeit. Die Lage des Clubs im Saalekreis-Örtchen an der Grenze zum Salzlandkreis ist ebenso kurios. „Eigentlich sind wir hier im Flachland“, sagt Patrick Valentin, Trainer und Vorsitzender des Vereins.

Trotzdem errichteten enthusiastische Skisprung-Fans in den 60er-Jahren die erste Schanze in Rothenburg. „Hier wird auf Matten gesprungen. Würde Schnee fallen, würde er herunterrutschen und sich am Schanzenende zusammenhäufen. Deshalb können wir bei Schnee nicht springen“, erklärt Valentin.

Schanze Rothenburg: Tag der offenen Tür

Doch am vergangenen Samstag, an dem der SFV einen Tag der offenen Tür veranstaltet, ist an Schnee nicht zu denken. Ein paar Dutzend Eltern und Großeltern schauen ihren Kindern zu, wie sie von der „Zwergen-Schanze“ springen. Die größeren und geübteren trauen sich auch an die große Schanze. „Wir wollen mit dem Tag Nachwuchs für unseren Verein gewinnen“, sagt Valentin.

Den Tag der offenen Tür, der noch vor ein paar Jahren als „Casting“ bezeichnet wurde, veranstaltet der Club seit sechs Jahren. „Irgendwann standen wir mit nur drei Kindern beim Training und haben uns gedacht, da müssen wir etwas machen.“ 14 Kinder sind am Samstag am Start. Eine gute Zahl findet Valentin. „Wenn nur drei von ihnen hängen bleiben, haben wir viel geschafft.“

Schanze Rothenburg: Skisprung-Pionier Peter Ott

Einer, der vor elf Jahren „hängengeblieben“ ist, ist der 14-jährige Steve Grabrowitsch. Wie selbstverständlich stürzt er sich die nach dem Rothenburger Skisprung-Pionier Peter Ott benannte hohe Schanze herunter. Wie hoch sie genau ist, das wissen weder er noch Vereinsvorsitzender Valentin genau. Mit seinem engen Skianzug und der verspiegelten Brille sieht Steve fast aus wie die Profis, die bei den olympischen Spielen gesprungen sind.

„Natürlich habe ich mir das angeguckt“, sagt der Schüler aus Rothenburg. Aber noch lieber als zuzuschauen springe er selber. Als Kind hatte er bei einem Wettkampf in Rothenburg zugesehen und Valentin gefragt ob er auch mal springen dürfe. Er solle zum nächsten Training kommen, habe der gesagt.

Anti-Wintersport-Ort Rothenburg

Auch heute noch könne sich Jedermann anmelden, nicht nur zum Tag der offenen Tür, betont der Vereinsvorsitzende. Für einen Monatsbeitrag von drei Euro für Kinder und sechs Euro für Erwachsene bekommen Mitglieder das Material gestellt und können dreimal die Woche zum Training gehen. Dabei gelte, so Valentin, je früher man anfange desto besser. „Fünfjährige haben noch gar keine Angst zu springen.“

Für den Verein gilt es in den nächsten Jahren, das zu bewahren, was Peter Ott in den Sechzigern aufgebaut hat. Ihn verehren die Sportler als Gründungsvater, weil er damals die Unterstützung des Rothenburger Drahtwerkes für den Bau der Schanze aushandelte. „Die befand sich zunächst auf dem Südhang, was Probleme beim Bewässern verursachte“, erzählt Valentin. Die Stahlrinnen, in denen die Springer Anlauf nehmen, müssen nass sein, damit die Reibung gering ist. Also wurde später die heutige Schanze auf dem Nordhang gebaut, wo die Sonne die Rinnen, die in Handarbeit im Harz gefertigt wurden, nicht so schnell austrocknen.

Insgesamt viel Aufwand für eine Randsportart, wie Valentin selbst zugibt. Aber er und sein Verein kämpfen dafür, dass auch noch viele weitere Jahre im Anti-Wintersport-Ort Rothenburg Ski gesprungen wird. (mz)

Steve Grabrowitsch kurz vor dem Absprung
Steve Grabrowitsch kurz vor dem Absprung
Holger John