"Da hat sich etwas gedreht" "Da hat sich etwas gedreht": Warum Bedeutung der Zeitarbeit auch im Saalekreis wächst

Merseburg - Finanzielle Unsicherheit und geringere Bezahlung - die Kritik an Zeitarbeit ist vielfältig und doch scheint das Arbeitsmodell nicht nur im Bund, sondern auch im Saalekreis zu boomen. Während im Landkreis aktuell mehr als 1.700 Menschen als Leiharbeiter ihren Lebensunterhalt verdienen, waren es im Juni vergangenen Jahres deutschlandweit mehr als eine Million. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum bedeutete das einen Zuwachs von zwei Prozent.
„Im Bereich Zeitarbeit haben wir aktuell die meisten gemeldeten Arbeitsstellen“, bestätigt am Mittwoch Sven Grudzielski, Fachbereichsleiter Eingliederung beim Jobcenter Saalekreis, am Rande einer speziell organisierten Zeitarbeitsmesse im Merseburger Ständehaus mit fast 350 Besuchern. Er nahm die Zeitarbeit zugleich aber auch in Schutz vor der gängigen Schelte. „Da hat sich in den letzten Jahren einiges gedreht“, sagt er und meint die verbesserten Bedingungen für Leiharbeiter.
Erst 2018 waren neue gesetzliche Bestimmungen in Kraft getreten
Erst im vergangenen Jahr waren neue gesetzliche Bestimmungen in Kraft getreten, von denen auch die zahlreichen Leiharbeiter aus dem Saalekreis profitieren sollen. So müssen Arbeitgeber deren Lohn nach spätestens 15 Monaten an die Gehälter der Stammbelegschaft im Unternehmen angleichen. Nach 18 Monaten muss der Leiharbeiter übernommen werden - oder eben den Betrieb verlassen. „Aufgrund der fehlenden Fachkräfte kommt es immer öfter zu Übernahmen“, sagt Grudzielski.
Das kann auch Ingo Bachmann bestätigen. Er arbeitet beim international tätigen Personaldienstleister IK Hoffmann. „Gerade in der Chemie werden eben nicht mehr nur Helfer ohne fundierte Ausbildung gesucht, sondern auch Chemikanten oder Laboranten“, sagt er. Betriebe würden sich die Flexibilität auch einiges kosten lassen. „Es gibt Fälle, in denen Leiharbeiter sogar mehr verdienen, weil sie so kurzfristig zur Verfügung stehen.“
„Wir suchen ständig Fachkräfte wie Schlosser, Schweißer und Anlagenmechaniker“
Mit dem eigenen Personaldienstleister Antec war auch die Firma Imo auf der Messe vertreten. „Wir suchen ständig Fachkräfte wie Schlosser, Schweißer und Anlagenmechaniker“, erklärt Personalreferent Matthias Koch. Aus der Not heraus bilde man Hilfskräfte weiter aus, um sie am Ende im besten Fall zu übernehmen. Ohne Zeitarbeit wäre das Unternehmen aufgeschmissen. „Wenn wir beispielsweise an den Chemiestandorten bei Stillständen Aufträge erhalten, benötigen wir für kurze Zeit gut 50 Mitarbeiter mehr“, erklärt Koch. „Das kann kein Unternehmen über sofortige Festanstellungen regeln“, gab er zu Bedenken.
Dass Zeitarbeit für die darauf angewiesenen Leiharbeiter aber dennoch nicht so glanzvoll ist, wie es die Wirtschaft verheißt, belegen ebenfalls Einschätzungen der Bundesagentur (BA). Zwar kann Zeitarbeit gerade für Geringqualifizierte ein Sprungbrett sein. Doch liegen die Entgelte laut einem BA-Bericht „deutlich unter den im Durchschnitt über alle Branchen erzielten Entgelten“. Auch seien die Arbeitsverhältnisse im Vergleich deutlich weniger nachhaltig. (mz)