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Rudel sorgt für Aufregung Rudel sorgt für Aufregung: Die Wölfe heulen in der Lausitz

Von Peter Gärtner 11.02.2007, 14:07

Brandenburg/MZ. - Im Grenzgebiet zwischen Brandenburg und Sachsen wächst die Angst vor Wölfen. Denn neuerdings scheinen die Wildtiere nicht einmal mehr Scheu vor den Menschen zu zeigen. Die sonst äußerst vorsichtigen Raubtiere sollen Hundezwinger belagern, Rentner im Garten erschrecken und nachts sogar Grundstücksausfahrten blockieren. Sogar von einem "Problemwolf" ist schon die Rede, der einer Reiterin aus dem Wald bis zum Hof gefolgt sein soll und sich auch nicht durch Drohgebärden hat abschütteln lassen.

Diese Berichte sind Wasser auf die Mühlen des Oberlausitzer Vereins "Sicherheit und Artenschutz", der gegen die "Wolfsansiedlungspolitik" von Sachsen und Brandenburg zu Felde zieht. "In den nächsten zwei Jahren wird ein Wolf einen Menschen angreifen", prophezeit Mitgründer und Jäger Christian Lissina. Der Verein will die Tiere daher mit Gummigeschossen abschrecken und fordert außerdem: "Wiederholungstäter müssen erschossen werden." Denn wenn das erste Kind dem Wolf zum Opfer fiele, erklärte Lissina, würden "ohnehin die Hubschrauber mit Infrarotkameras fliegen und jeden Grauen abschießen".

Ein solches Szenario kann sich der Chef des brandenburgischen Landesumweltamtes gar nicht vorstellen. "Die Angst vor den Wölfen ist unbegründet und wird gezielt geschürt", sagt Matthias Freude. Im sächsischen Umweltministerium ist gar von "Panikmache" die Rede, die jeglicher Grundlage entbehre. Dort kann man sich einen Seitenhieb gegen die Jäger-Vereine nicht verkneifen. "Die Wölfe haben in ihrem Revier nur das vollbracht, was die Jäger nicht geschafft haben: einen Wildbestand, der für den Wald verträglich ist." Es gebe noch viel zu viel Wild. Jedes Jahr zahle der Freistaat über zwei Millionen Euro für Zäune, um den Wald vor Wildschäden zu schützen.

"Da läuft gerade eine gezielte Kampagne gegen Wölfe als Jagdkonkurrenten", sagt die Biologin Gesa Kluth, die mit Ilka Reinhard die unter strengem Schutz stehende einzige deutsche Wolfspopulation von Anfang an beobachtet. Die beiden Rudel aus der Muskauer und Neustädter Heide leben auf über 700 Quadratkilometer. Die grauäugigen Wölfe seien in der Nähe von Menschen aufgewachsen und würden sogar Panzer kennen, weil sie auf einem Truppenübungsplatz lebten. "Deshalb geraten sie nicht in Panik, wenn sie uns sehen", erklärt die Forscherin. Bislang habe sich kein Wolf aggressiv gegenüber einem Menschen verhalten. 100 Meter sei der übliche Abstand, den die Tiere einhalten würden - außer bei Zufallsbegegnungen.

Das Verbreitungsgebiet würde jedoch mittlerweile deutlich über die Lausitz hinausgehen. "Eine ganze Reihe von Jährlingen sind in den letzten Jahren aus den Rudel-Gebieten abgewandert", sagt Kluth. Die Einzeltiere würden Richtung Brandenburg, aber auch nach Polen und Tschechien streifen. "Insbesondere im Norden werden sich die Anlieger an die Anwesenheit von Wölfen gewöhnen müssen."

Im brandenburgischen Umweltministerium war man bislang von einzelnen Grenzgängern aus Sachsen ausgegangen. "Offenbar sind es jetzt mehr Tiere geworden", heißt es. In Potsdam wird bereits über ein "Wolfsmanagement" nachgedacht, nachdem wiederholt Schafe gerissen wurden.

Die Wissenschaftlerinnen Kluth und Reinhardt mit ihrem wildbiologischen Büro "Lupus" im sächsischen Spreewitz haben mit ihrer Aufklärungsarbeit in den letzten Jahren derweil erfolgreich gegen das "Rotkäppchensyndrom" angekämpft. Diese zähe Überzeugungsarbeit gegen die Mär vom bösen Wolf wollen sie sich jetzt nicht von einigen Jagdpächtern kaputt machen lassen.

"Wir nehmen jeden Bericht ernst", sagt Kluth. Daher haben sie sich auch mit der betroffenen Reiterin getroffen. "Sie hat das Tier als Wolf beschrieben, doch sein Verhalten war das eines Hundes." Würde ein Wolf sich derart merkwürdig verhalten, dann mache er das wieder. "Für ein solches Problem-Tier", so Kluth, "hält das Gesetz alle Möglichkeiten offen". Doch ein Abschuss wird kaum nötig sein. Der angebliche Isegrim dürfte wohl ein Schäferhund-Mix gewesen sein: er hatte dunkelbraune Augen.