Physikstunde mit Überlänge Reiner Haseloff als Phyik-Lehrer an der Landesschule Pforta

Pforta - Ein Handy im Unterricht? So nicht - das macht der Lehrer gleich zu Beginn klar. „Twittern kann er ja nachher wieder“, sagt er mit Blick auf den Ertappten. Der steckt das Gerät brav weg. Es ist Bildungsminister Marco Tullner - und er kann nicht gut widersprechen, denn der Lehrer ist kein anderer als der Ministerpräsident. 10.05 Uhr, an der Landesschule Pforta (Burgenlandkreis) beginnt die Physikstunde. Vor der Tafel: Reiner Haseloff, Doktor der Physik.
Reiner Haseloff erklärt an der Landesschule Pforta die Elektronenstrahlenröhre
Den 18 anwesenden Zwölftklässlern verspricht er eine ganz besondere Schulstunde. „Wir wollen an eine fundamentale Größe des Kosmos herankommen. Wir berühren hier die Grundlage unserer Existenz.“
Man merkt Haseloff die Begeisterung für sein Fach an, auch dann, als er die bereitstehende Elektronenstrahlröhre erklärt und die Wirkung der Kirchhoffschen Spulen. Der Blick des Bildungsministers geht da bereits ins Unendliche.
Haseloff steckt im Stoff, soviel ist klar. Wer ihn kennt, weiß: Die wahre Herausforderung ist es, den Stoff einer Unterrichtsstunde auch tatsächlich in 45 Minuten zu absolvieren. Nach 30 Minuten steckt der Gastlehrer mitten in den schönsten Berechnungsformeln, das Experiment hat noch gar nicht begonnen. Und überall droht Ablenkung.
Wasserstoff könne die Atmosphäre nur in kleinen Mengen verlassen, erklärt Haseloff, deshalb sei die Erde so schön stabil. Das verleitet zu einem Schlenker in die Geschichte der höchst instabilen Weimarer Republik.
Physikalische Experimente mit Reiner Haseloff an der Landesschule Pforta
Überhaupt lässt sich der Regierungschef vom vorgegebenen Unterrichtsfach keinesfalls begrenzen. Er streift Philosophie („Alles ist im Fluss“), Erdkunde („Polarlichter gibt’s im Polargebiet“) und Geschichte („Vor 20.000 Jahren waren hier noch 200 Meter hohe Eisberge.“) Dann endlich ist das Experiment zur Bestimmung der Elektronenmasse dran. Das Licht geht aus.
Im Glaskolben werden Elektronen in eine Umlaufbahn geschossen, eine Schülerin darf mit einem Lineal Ergebnisse messen. Haseloff ist begeistert. „Das ist der blanke Wahnsinn!“ Weil der Ministerpräsident zwischen Klasse und Elektronenkanone steht, ist allerdings die Sicht eingeschränkt. Ein Schüler fasst sich schließlich ein Herz: „Herr Haseloff, können Sie sich bitte hinter den Tisch stellen?“
Die Landesschule Pforta wird auch die „Perle des Landes" genannt
10.55 Uhr: Die Stunde ist bereits überzogen, einige sehen verstohlen auf die Uhr. „Wann ist Pause?“, fragt Haseloff. „Jetzt“, antwortet ein Schüler. Haseloff nickt: „Ich brauche noch sieben Minuten.“
Pforta ist nicht irgendeine Schule. Die Schüler lernen in einem ehemaligen Kloster, es gibt strenge Aufnahmetests - Bildungsminister Tullner spricht von einer „Perle des Landes“. Klagen über fehlende Lehrer hat man aus Pforta noch nicht gehört. Anderswo ist es weniger idyllisch: Jede dritte Schule im Land kommt nicht einmal auf 95 Prozent Unterrichtsversorgung.
Reiner Haseloff als Lehrer bekommt nach Schulstunde an der Landesschule Pforta die Bewertung „Gut"
Mit insgesamt zwölf Minuten Verlängerung beendet Haseloff strahlend seine Stunde, die Schüler klopfen auf die Tische. Wie war der Lehrer? „Gut. Aber hat sich ab und zu wiederholt“, sagt eine Schülerin. Physiklehrerin Silke Tonndorf, die den Unterricht im Stehen verfolgt hat, lobt die zügige Messung. „Dafür hätte man die Einleitung etwas straffen können.“
Dafür, dass das Experiment am Ende akzeptable Ergebnisse brachte, hat sie freilich unauffällig nachgeholfen: Einer der drei verwendeten Messwerte stammte gar nicht aus der Live-Vorführung, sondern aus dem Probelauf am Morgen. „Das ist aber zulässig“, sagt die Lehrerin. „Das machen wir manchmal auch so.“ (mz)