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Prozess Prozess: Mörder büßt für Michelles Martyrium mit Jugendhaft

Von Birgit Zimmermann 04.10.2009, 08:51

Leipzig/dpa. - Völlig reglos und mit starrem Blick nimmtDaniel V. das Urteil hin: Für den schrecklichen Mord an der kleinenMichelle aus Leipzig muss er neuneinhalb Jahre Jugendstrafe verbüßen.Das Landgericht Leipzig verurteilte den 19-Jährigen am Freitag auchnoch wegen Vergewaltigung und schweren sexuellen Missbrauchs vonKindern. Er hatte sich das achtjährige Mädchen aus der Nachbarschaftam 18. August 2008 ausgesucht, um mit dem Kind erste sexuelleErfahrungen zu sammeln. «Das Leben von Michelle war ihmgleichgültig», sagte der Vorsitzende Richter Norbert Göbel.

So seltsam bewegungslos und gehemmt, wie sich Daniel V. die Wortedes Richters anhörte, so hatte er während des gesamten Prozesses aufder Anklagebank gesessen. Der dickliche 19-Jährige, das wird schnellklar, ist ein zurückgebliebener Teenager. Er sei ein «Einzelgänger,Außenseiter, Muttersöhnchen», sagte sein Verteidiger Malte Heise.Ein psychiatrischer Gutachter bescheinigte Daniel V. erheblicheReifemängel und eine Gefühlskrankheit. «Er hat eineEntwicklungsstörung von bereits pathologischem Ausmaß», sagteHeise. Diese Defizite haben dazu geführt, dass Daniel V. nach demmilderen Jugendstrafrecht verurteilt wird. Er gilt gleichwohl alsvoll schuldfähig. Bei Erwachsenen steht auf Mord lebenslänglich.

Daniel V. ging mit erheblicher Brutalität vor. Richter Göbelsprach von «fürchterlichen, grausamen Tatumständen». «Man kann das inWorten nicht beschreiben», was sich im August 2008 in der Wohnung, inder Daniel V. mit seiner Mutter lebte, abgespielt habe. Allein dieFakten der Obduktion sprächen Bände. Mehrere Zähne brach Daniel V.Michelle aus und sogar ein Stück des Kiefers. Zudem flößte er ihrAlkohol ein, sie hatte 0,8 Promille. Als Michelle fliehen wollte,schlug und würgte der kräftige Kerl das Kind. Das Mädchen erstickte.«Das muss für Michelle ein furchtbarer Todeskampf gewesen sein»,sagte Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Müller. Er hatte die Höchststrafevon zehn Jahren gefordert, Verteidiger Heise achteinhalb.

Zum Prozessauftakt hatte ein Rechtsmediziner der UniversitätLeipzig mit seinem Bericht von der Obduktion Entsetzen undErschütterung ausgelöst. Er hatte die Bilder des toten, nacktenKindes auf dem Seziertisch - völlig unüblich - mit einer Powerpoint-Präsentation auf eine Leinwand geworfen. Zuschauer brachen in Tränenaus. Er werde das nie mehr machen, sagte der Mediziner später. DasGericht habe es so gewollt. Daniel V. hatte Michelles Leiche in einenEntenteich im Leipziger Südosten geworfen.

Den Eltern der Grundschülerin waren die schockierenden Bildererspart geblieben. Sie kamen nicht ins Landgericht, waren mitMichelles Brüdern nach dem grausamen Verbrechen auch aus Leipzigweggezogen. «Der Familie geht es sehr schlecht», sagte deren AnwaltReinhard Baehr. Sie lebt völlig zurückgezogen. Richter Göbel fandnoch drastischere Worte: Daniel V. habe «nicht nur Michelle ums Lebengebracht, sondern auch das Leben der Eltern vernichtet.»

Die Eltern regierten mit Unverständnis auf das Urteil: «Wirwissen, dass uns kein Urteil der Welt, egal wie hoch es ausfällt,unsere Michi zurück bringt. Aber wir finden, dass jemand, der einemanderen Menschen auf so eine Art das Leben nimmt, mit der vollenHärte des Gesetzes bestraft und lebenslänglich weggesperrt werdensollte. Die Vorstellung, dass der Täter irgendwann entlassen wird undmöglicherweise wieder zuschlägt, macht uns große Angst», zitierte«Bild am Sonntag» die Eltern.

Falls es noch eines Beweises bedurft hätte, dass Daniel V. andersreagiert als die meisten anderen, mitfühlenden Menschen, so lieferteer ihn mit seinem «letzten Wort» vor der Urteilsverkündung: «Alsoerstmal möchte ich sagen, dass mir erst während der Verhandlung dieganzen Ausmaße meiner Tat bewusstgeworden sind. Und ich war auch sehrschockiert, als ich erfahren habe, dass die Familie so traumatisiertist», sagte er blechern in das zuvor fein säuberlich zurechtgerückteMikrofon. Dann brach er abrupt ab. «Das war's?», fragt Richter Göbel.«Das war's», sagte Michelles Mörder.