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Personalnot im Advent Personalnot im Advent: Schöne Bescherung - überall fehlen Weihnachtsmänner

Von Ralf Böhme 30.11.2018, 09:00
Karl-Heinz Schmidt als Weihnachtsmann ganz in rot.
Karl-Heinz Schmidt als Weihnachtsmann ganz in rot. Andreas Stedtler

Bernburg - Absolut fusselfrei! Behutsam, beinahe liebevoll streicht Karl-Heinz Schmidt über den schweren Samtstoff. „So ein tiefes Rot trägt sonst nur der Papst“, behauptet der Bernburger wie selbstverständlich. Dann wirft der Weihnachtsmann sich blitzschnell seinen Mantel über. Und der edle Zwirn sitzt ihm wie angegossen. Auf Maß geschneidert, so dass jeder sofort erkennt: Das ist kein Stück für alle Tage. Schmidt versteht das Kostüm als „Ticket zum Eintritt in die Märchenwelt“.

Immer weniger Konkurrenz für den „schönsten Weihnachtsmann“

Der Mittfünfziger muss es wissen: Er ist seit einem Jury-Entscheid vor drei Jahren unwidersprochen der schönste Weihnachtsmann Sachsen-Anhalts. Und gut möglich, dass Schmidt diesen Titel ewig tragen wird. Denn die Konkurrenz, die sich dem landesweiten Vergleich stellen kann, nimmt rapide ab. Wer Schmidt in Aktion sehen und von ihm lernen will, trifft ihn beim alljährlichen Weihnachtsmärchen am 9. Dezember im Bernburger Capitol. Er gilt in seinem Metier als Fachkraft, zehn Jahre Berufserfahrung sind da die Ausnahme.

Arbeitsagentur, Internetportale und Interessengemeinschaften, die sich dem Frohsinn im Advent verschrieben haben, kommen allesamt zum gleichen Ergebnis: 2018 herrscht in Sachsen-Anhalt ein bislang nie dagewesener Mangel an Weihnachtsmännern. Keine Leute, keine Leute - das umschreibt sowohl die sinkende Zahl ausgewiesener Fachkräfte mit jahrelangen Erfahrungen als auch den Seltenheitswert von Seiteneinsteigern, die den kräftezehrenden und auch pädagogisch anspruchsvollen Job wenigstens einmal ausprobieren wollen.

Geschenke-Flut zu Weihnachten: Einkehr kommt zu kurz

Menschen wie Karl-Heinz Schmidt, denen Weihnachten im wahrsten Sinne des Wortes heilig ist, reagieren auf den drohenden Niedergang des weihnachtlichen Brauchtums sichtlich erschüttert. „Die Flut von Geschenken macht vieles kaputt“, versucht er sich einen Reim darauf zu machen. Die Zeit für Besinnlichkeit und innere Einkehr komme ihm heutzutage einfach zu kurz.

Wohl auch deshalb, mutmaßt der Star-Weihnachtsmann, werde an den Festtagen so häufig gestritten, anstatt sich des Lebens im Frieden zu erfreuen.

Als „Heelechrist“ in Bernburg, so die bekannteste lokale Ausgabe des Weihnachtsmannes, steuere er nach Kräften gegen den Konsumwahn an. „Bei mir kommt schon lange nicht mehr jedes Geschenk in den Gabensack, manches lehne ich auch ab.“ Schließlich dürfe sich der Mann, der von Amts wegen das goldene Buch über gute und schlechte Taten führt, keinen Bruch heben. Davor habe er wirklich Angst.

In einigen Teilen Sachsen-Anhalts haben es die Arbeitsagenturen aufgegeben, noch entsprechendes Personal gewinnen zu wollen. Als Weihnachtsmänner würden ganze Kerle gebraucht, heißt es in internen Anforderungen. Und ganze Kerle scheint es beispielsweise in Weißenfels und Umgebung so nicht mehr zu geben. Aber auch in der Altmark, wo nur ein einziger Akteur auf der Liste der Vermittler steht, herrscht vorweihnachtlicher Notstand.

Nicht gefragt: Weihnachts-Engel sind ohne Chance

Andere probieren aus der Not eine Tugend zu machen. Weihnachtsfrauen oder Engel könnten für Ausgleich sorgen, so eine Überlegung. Aber auch diese Rechnung geht leider nicht auf. Solche Offerten fänden überhaupt keinen Widerhall, ist sich Thomas Hiksch, Sprecher der Arbeitsagentur in Halle, sicher. „Niemand, nicht eine einzige Familie will diese Dienstleistung in Anspruch nehmen.“

Im Gegensatz dazu melden sich täglich neue Interessenten, die im Advent von einem Weihnachtsmann heimgesucht werden wollen. Schon 150 Haushalte und jede Menge Kitas, Schulen, Betriebe und Geschäfte haben entsprechenden Bedarf angemeldet. Absehbar ist: Der verbliebene kleine Kreis belastbarer Rauschebärte, es sind keine zwei Dutzend Männer, werden im Dezember wieder an der Grenze der Belastbarkeit schuften müssen.

Arbeitsagentur:  Job als Weihnachtsmann dann doch zu stressig

Genauso spitzt sich die Situation in der Landeshauptstadt zu. Dort rüsten sich nach Agenturangaben ganze zehn Weihnachtsmänner für die große Bescherung. Wenig optimistisch blickt auch Daniel König, Sprecher der Arbeitsagentur in Halberstadt (Harz), auf die Bescherung: Vor allem Rentner hätten sich bislang den weißen Rauschebart angeklebt. „Etlichen wurde der Job im Laufe der Zeit aber doch zu stressig.“ Und generell seien gerade Heiligabend und die darauf folgenden Feiertage die unbeliebtesten Arbeitstage des ganzen Jahres.

Dabei ist das Geschäft durchaus einträglich. Als Faustregel in Weihnachtsmannkreisen gilt: Pro Auftritt an Heiligabend kassiert der Rauschebart 60 Euro - manchmal auch weniger, oft mehr. „Meist einigt man sich sehr schnell“, sagt Karl-Heinz Schmidt. „Eigentlich will man anderen Leuten eine Freude machen und den Weihnachtstag nicht allein daheim verbringen.“  (mz)