1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Parteitag der Grünen: Parteitag der Grünen: Grünes Trauma

Parteitag der Grünen Parteitag der Grünen: Grünes Trauma

Von Alexander Schierholz 06.07.2014, 17:30
Im Amt bestätigt: Cornelia Lüddemann und Sebastian Lüdecke
Im Amt bestätigt: Cornelia Lüddemann und Sebastian Lüdecke dpa Lizenz

Dessau-rosslau/MZ - Mit wem die Grünen nach der nächsten Landtagswahl in Sachsen-Anhalt eine Koalition eingehen wollen, wenn es denn soweit kommen sollte?

Für ihre Idee eines fleischlosen Tages in Kantinen, der sogenannte Veggie-Day, ernteten die Grünen vor der Bundestagswahl 2013 Häme und Kritik. Kommt der Veggie-Day nun durch die Hintertür zurück? In einem in Dessau verabschiedeten Leitantrag zu nachhaltiger Landwirtschaft und artgerechter Tierhaltung heißt es zum Thema Ernährung jedenfalls, man wolle sich für die Einführung eines Programms für vegetarisches und veganes Essen an Schulen einsetzen. Agrarpolitik soll einer der Schwerpunkte der Grünen 2016 werden.

Die CDU weiß es schon. Mit freundlichen Grüßen schickte die Landesgeschäftsstelle der Christdemokraten am Samstag einen Pizzaboten aus Magdeburg nach Dessau zum grünen Landesparteitag. Im Gepäck hatte der Mann beste Wünsche für „gute Beratungen“ - und 50 rot-grüne (!) Pizzen. Die Fronten wären also schon mal geklärt.

Heftige Attacke

Dabei wollen die Grünen über Koalitionen jetzt noch gar nicht reden. Sie machten am Samstag in Dessau lediglich deutlich, dass sie in Sachsen-Anhalt künftig mitregieren wollen. Das aber laut: Landeschefin Cornelia Lüddemann und die Fraktionsvorsitzende im Landtag, Claudia Dalbert, attackierten die schwarz-rote Landesregierung so heftig, dass man glauben konnte, es würde bereits in wenigen Wochen gewählt, nicht erst im Frühjahr 2016.

So erklärte Lüddemann, dass Land habe eine andere Regierung verdient - nicht eine, die Probleme schönrede. Dalbert wetterte, die jetzige Landesregierung erkenne die vor Sachsen-Anhalt liegenden Zukunftsaufgaben nicht. Als Beispiel nannte sie die Bildung: „Die Hochschulen sind unser Tafelsilber. Für die Landesregierung sind sie aber vor allem ein Kostenfaktor.“ Ihr Fazit: „Wir müssen bereit sein, Regierungsverantwortung zu übernehmen.“

Problem „Magdeburger Modell“

Da gibt es nur ein kleines Problem: Es heißt „Magdeburger Modell“, jene rot-grüne, von der PDS tolerierte Minderheitsregierung von 1994 bis 1998, an deren Ende die Grünen achtkantig aus dem Landtag flogen. Es folgten: 13 Jahre außerparlamentarische Opposition. Für manche Parteimitglieder ist das bis heute ein Trauma. „Am Ende waren wir die Verlierer dieses Modells“, sagt Ulrich-Karl Engel. Das will der Chef des Grünen-Kreisverbandes Harz nicht noch einmal erleben.

Absage an Rot-Rot-Grün

Die Harzer Grünen beantragten in Dessau deshalb, die Partei solle sich jetzt festlegen: Weder sollten sich die Grünen 2016 an einer Minderheitsregierung beteiligen noch für ein Bündnis zur Verfügung stehen, das auch ohne sie eine Mehrheit hätte. Im Klartext ist das unter bestimmten Umständen eine Absage an Rot-Rot-Grün.

In den 1990er Jahren, erinnerte Engel, seien die Grünen im Magdeburger Modell anfangs das „Verbindungsglied“ zwischen SPD und PDS gewesen. „Aber als die beiden anfingen, direkt miteinander zu verhandeln, wurden wir nicht mehr gebraucht.“ Und wer nicht gebraucht werde, so Engel, der werde auch nicht gewählt. „Für solche Experimente sollten wir uns nicht mehr hergeben.“

Allein, der Landesvorstand wollte sich nicht so frühzeitig festlegen - und schon war er da, der einzige Konflikt eines ansonsten friedlichen Parteitags. Engel nämlich bestritt, es habe von vornherein eine Vereinbarung mit dem Vorstand gegeben, den Antrag auf einen der nächsten Parteitage zu verschieben. Landeschefin Lüddemann dagegen sagte, Engel habe einer Vertagung telefonisch zugestimmt. So kam es dann auch - Wiedervorlage 2016.

Dämpfer für Lüddemann und Lüdecke

Vielleicht lag es an dieser im Keim erstickten Koalitionsdebatte, dass Lüddemann und ihr Co-Vorsitzender Sebastian Lüdecke bei ihrer Wiederwahl deutliche Dämpfer hinnehmen mussten. Die Dessauerin bekam knapp 70 Prozent der Stimmen, vor zwei Jahren waren es 87 Prozent gewesen. Für den Vorsitzenden des Kreisverbandes Mansfeld-Südharz stimmten 73 Prozent der Delegierten, gegenüber 85 Prozent bei der vorherigen Wahl.

Vermutlich spielte aber auch eine Rolle, dass die Grünen noch ein mit 4,8 Prozent landesweit eher „suboptimales“ (Engel) Europawahl-Ergebnis zu verdauen hatten. Lüddemann übte sich nach ihrer Wiederwahl deshalb in Selbstkritik: „Wir müssen unsere Aussagen noch klarer formulieren und kampagnenfähiger werden.“

Vielleicht haben die CDU-Pizzen den Grünen da ja ein wenig Kraft gegeben.