«Pächterhaus» in Dessau «Pächterhaus» in Dessau: Meeralge trifft Lamm
Dessau/MZ. - Wie das Restaurant zu seinem Namen kam, wird auf der sehr schön gestalteten Internetseite des Hauses ausführlich erklärt. Auf der virtuellen Speisekarte kann der Gast schon mal vorkosten. Das verkürzt die überaus angenehme Qual der Wahl an Ort und Stelle.
"Gutbürgerliche Küche" klassifiziert Küchenchef Wolfgang Mädel sein Angebot schlicht. Doch das hat er mit viel Raffinesse und Liebe zum Detail deutlich über das "gut- bürgerliche Niveau" gehoben. Schön, dass er dabei nicht vergessen hat, wer die Menschen sind, die hier seine Gerichte bezahlen sollen und können. Das teuerste Gericht steht mit 24,50 Euro in der Karte, argentinisches Rinderfiletsteak.
Das Pächterhaus-Menü führt die Speisekarte an, 33 Euro sind für die drei Gänge zu zahlen. Kürbis-Karotten-Ingwercremesuppe mit geräucherter Entenbrust gehört dazu, als Hauptgericht Hirschkalbrücken oder Steinbutt, Schokomousse als Dessert. Die Wahl fiel auf das Steinbuttfilet mit Garnelen, gebratenem grünen Spargel, Safransoße und Basmatireis. Einzeln bestellt, ergibt dieses Ensemble 36,80 Euro.
Üppiger Auftakt
Beim zweiten, einzeln zusammengestellten Menü, weckte die Vorspeise Begehrlichkeit: Jacobsmuscheln mit Meeralgensalat und glasierten Cherrytomaten (11,60 Euro). Beim Hauptgericht war die Erwartung klar kanalisiert, denn man weiß, wie Lammrückenfilet mit Ratatouillegemüse und Gnocchis (21,80 Euro) sein müssen. Skepsis schwang aber schon mit bei der Bestellung des Neuseeländischen Lamms, denn es kann ganz leicht heikel werden, wird es nicht punktgenau aus der Kurzbratpfanne genommen. Und noch mal Neugier bei der Auswahl: Lebkuchen-Tiramisu als Dessert! Geht das?
Natürlich, sagt die junge Dame, die bedient, das gehe gut, was soll sie auch sagen. Auf die über Gebühr zahlreich gestellten Fragen zu den Finessen der einzelnen Gerichte weiß sie sachkundige Antwort ohne ausufernd zu schwätzen. Wenn sie nicht gleich alles weiß, eilt sie wenig später mit neuem Wissen an den Tisch zurück - einer von 15 im Erdgeschoss, wo etwa 60 Gäste Platz finden. Oben wartet noch - der "Alte Dessauer" lässt wieder grüßen - die Moritzstube für kleine Feierlichkeiten.
Die Gasträume sind in warmem Blau gehalten. Türen und Regale aus hellem Holz setzen dazwischen dezent Akzente, das Ganze eher modern, ein angenehmer Kontrapunkt im alten Haus. An den Wänden zieht Stadtgeschichte in Bildern die Blicke auf sich. Ein russischer Künstler habe Dessau um 1905 gemalt - nach alten Postkarten - ist zu erfahren. Die Weinkarte überfordert den Gast weder bei Auswahl noch Preisen. Saale-Unstrut Weine, natürlich. Weiße wie rote aus dem Piemont, der Pfalz, der Toskana, aus Frankreich, je ein halbes Dutzend als offene Weine. Ein Silvaner von 2009 aus Freyburg kostet 4,80 Euro. Für die Höhepunkte des Lebens wartet ein Brunello di Montalcino, 30 Monate in Eiche gereift, verspricht die Karte und fordert dafür 74 Euro - das mit Abstand teuerste Angebot des Hauses. Die Entscheidung für einen bestens gekühlten Grauburgunder zum Auftakt erwies sich als richtig zu Muscheln und Kürbissüppchen und er passte später dann auch bestens zum Steinbutt. Ein offener Blauer Zweigelt (5,10 Euro) wurde zum angemessenen Lamm-Begleiter.
Wie es sich gehört in einem Haus mit Noblesse eröffnet ein Amuse gueule den Reigen - eine Hecht-Terrine zum Anregen der Geschmacksnerven. Leicht, cremig dann das Süppchen. Kürbis schmeckt unaufdringlich vor und verdrängt aber nicht die feine Ingwernote. Die Entenbrust bildet - kräftig geräuchert - einen schönen Kontrast. Vorspeise zwei macht große Augen: ganz schön viel! Vier üppige Jacobsmuscheln, sehr schön geschmeidig, fernab von fahrlässig hart gegarten Muscheln. Vielleicht hätte das Quartett einen Hauch länger Hitze vertragen, etwas crosser hätten sie sein können, aber da sind die Vorlieben eben verschieden. Der Meeralgensalat ist sattgrün, fest, kühl, fein abgeschmeckt, ein Genuss! Und wie gut frischer, sparsam eingesetzter Lauch auf Cherrytomaten schmecken kann!
Beim Steinbutt stimmt alles. Weiß, fest, frisch das Fleisch. Es ertrinkt nicht in Safransoße und kann mit seinem Aroma gut hervortreten. Er lässt dennoch dem Safran seine Chance. Knackig der grüne Spargel, kurz und gut angebraten, rechtzeitig gestoppt bevor er abrutscht in seiner Konsistenz, der Basmatireis feinkörnig, wie es sich gehört. Das Lamm räumt alle Skepsis weg. Elastisch gibt das perfekt gebratene Fleisch beim Druck mit der Gabel nach. Der erste Schnitt: rosèfarben - wie gewünscht - der Kern, durch gebraten indes der schmale braune Mantel. Der markante Lammgeschmack ist gut austariert: nicht zu herb, nicht zu lasch, herzhaft, dieses Lamm.
Ungewöhnliches Finale
Den Gnocchi sieht man die Handarbeit an, so schmecken sie auch, lecker. Kein Kartoffelklößchen gleicht dem anderen, weich genug, fest genug, da genießt man die frische Kartoffel. Das Ratatouillegemüse - feingewürfelt, viele Sorten - kommt bestens weg, vielleicht war es eine Spur zu gut gewürzt.
Dann das süße Finale. Die Schokoladenmousse ist, wie so etwas ist. Wer es mag, findet Vertrautes auf gutem Niveau. Die Überraschung, wie erhofft, bietet die Symbiose von Lebkuchen und Tiramisu. Daran kann man sich gewöhnen! Was für eine feine Leckerei. Gut auch, dass sie nicht übermäßig opulent serviert wurde.
So endet das Menü mit Leichtigkeit und man bedauert, dass die Lebkuchenvariation nur um den Jahreswechsel herum zu haben ist. Immer indes gibt es den Hobusch. Das ist ein Dessauer Kräuterlikör, dem das wohl bekannteste Original der Stadt, Friedrich Hobusch (geboren 1819), seinen Namen gab. Einen Hobusch, gern auch zwei oder drei, hat sich Dessaus erfolgreichster Koch verdient. Zum Wohl, Herr Mädel!
Pächterhaus Dessau
Adresse: 06846 Dessau, Kirchstraße 1
Telefon: 0340 - 6501447
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 12 - 15 Uhr und ab 18 Uhr
13 von 20 Punkten im Gault Millau 2011
Hauptgericht ab 14,90 Euro bis 24,50 Euro,
offene Weine ab 4,10 Euro, Wein im Schnitt 25 Euro,
teuerste Flasche 74 Euro