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Nostalgie Nostalgie: Geschichte kehrt per Klick zurück

14.03.2008, 17:22

Halle/MZ. - Mehr als sechs Jahrzehnte stehen hier wie eingefrorene Zeit, Nachrichten und Meinungen auf 470 000 Zeitungsseiten, die zwischen Juni 1945 und heute in "Volkszeitung", "Volksblatt", der "Freiheit" und der "Mitteldeutschen Zeitung" erschienen sind, Berichte aus Tagen, die vergangen sind, aber nicht vergessen.

Ein Schatz, den zu heben lohnt. Nirgendwo sonst findet sich Geschichte so lebendig gezeichnet wie in Berichten von Zeitzeugen. Wissenschaftlern und Hobby-Historikern, Ahnenforschern und Schülern bieten die lückenlos erhaltenen Bestände die Möglichkeit, Vergangenheit nicht nur im Geschichtsbuch zu studieren, sondern einzutauchen ins Gestern.

Bislang aber war das nur Theorie. Zu empfindlich sind die umfangreichen Altbestände, zu groß die Gefahren, die den schwergewichtigen Folianten durch Licht, Staub und Luftfeuchtigkeit drohen. Zudem ist die Suche in den Bänden kompliziert und kraftaufwendig: Im Zweifelsfall mussten mehrere Bände mühsam durchgeblättert und nach bestimmten Meldungen durchsucht werden.

Erst die neue Technik macht es möglich, den Schatz zu heben. Die Scannertechnologie ist heute so weit fortgeschritten, dass eine nahezu verlustfreie Digitalisierung von Zeitungsseiten machbar wird. Spezialist auf diesem Gebiet ist das Unternehmen PrePress Systeme in Bad Homburg, dem es mit Hilfe eines selbst entwickelten Scanner in einer Buchwippe gelingt, selbst die unvermeidlichen Verzerrungen im Seitenknick zu vermeiden. Dringend nötig ist das, weil viele Zeitungen nach Jahrzehnten im Archiv kurz davor stehen, einfach auseinander zu fallen. "Der beklagenswerte Zustand vieler Zeitungen verlangt nach zügiger Digitalisierung", ist sich PPS-Chef Siegfried Peis sicher. Zwar wurden die Archivbestände der "Freiheit" früher auf Microfilm gesichert, inzwischen hat sich aber herausgestellt, dass der Informationsgehalt der Filme für eine sogenannte Retrodigitalisierung wegen der Körnung des Filmmaterials nicht ausreicht. Deshalb mussten die Originalseiten aus den Archivkellern im Verlagshaus geholt und zu den Spezialisten von PPS nach Bad Homburg gebracht werden. Nach umfangreichen Vorarbeiten der Experten von der MZ-Systemtechnik sind mehr als eine Viertelmillion Seiten dort in den letzten Monaten penibel aus ihren Bänden befreit, vorsichtig restauriert und Blatt für Blatt durch den gewaltigen Scanner gezogen worden. Mittels eines komplizierten Verfahrens zur optischen Erkennung von Buchstaben, das gleichzeitig traumwandlerisch sicher weiß, welcher Absatz zu welchem Text gehört, wurden aus den fertigen Roh-Dateien Millionen und Abermillionen von einzelnen Artikeln ausgelesen, die anschließend mit Stichworten auffindbar gemacht werden können. Auf 16 000 Zeichen, das entspricht etwa einer kompletten Zeitungsseite, liegt die sogenannte OCR-Software dabei in 99,65 Prozent aller Fälle richtig, gerade mal 56 Lesefehler müssen nachträglich korrigiert werden.

So werden aus Papier und Druckerschwärze Bits und Bytes, so wird aus endlosen Regalmetern mit vom Zahn der Zeit angenagten Zeitungsseiten eine handliche Festplatte, die unzählige Informationen zum Thema enthält. Der komplette Datenbestand aus Milliarden Worten kann bald von einem internetfähigen Rechner in Katmandu ebenso flott nach beliebigen Suchworten durchforstet werden wie von einem Computer in der MZ-Redaktion. Sowohl Stichwort- als auch Volltextsuche sind bis zu den ältesten Ausgaben aus dem "Volksblatt", das 1945 als Vorläufer der "Freiheit" erschien, möglich. Gefundene Texte können ausgedruckt und als Grundlage für Schulprojekte und Diplomarbeiten genutzt werden. Wie von Internet-Suchmaschinen bekannt, werden Schlagworte dabei nach Bedarf ausgeschlossen oder verknüpft.

Ist die richtige Ausgabe gefunden, bietet die MZ über ihr DocuCenter einen ganz besonderen Service an: Jede Zeitungsausgabe aus dem MZ-Archiv lässt sich per Mausklick bestellen. Spätestens zwei Wochen später landet die Vergangenheit druckfrisch im Briefkasten.